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Zahl der ehemaligen DDR-Flüchtlinge, welche von tschechischen und slowakischen Gerichten rehabilitiert wurden, erreicht demnächst 50 – Aufforderung zu weiteren Anträgen!
PRESSEMITTEILUNG
Plattform für das Gedenken und Gewissen Europas und die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft
Prag / Berlin, den 8. November 2020. Nach einem Aufruf der Plattform für das Gedenken und Gewissen Europas und der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) von vor drei Jahren sind bereits achtundvierzig ehemalige DDR-Bürger, welche bei ihrem Versuch, über den Eisernen Vorhang in der ehemaligen Tschechoslowakei in den Westen zu fliehen, umgebracht oder verhaftet wurden, von Gerichten der heutigen Tschechischen und Slowakischen Republiken rehabilitiert worden. Die Rehabilitierten haben Anspruch auf eine Entschädigung. Die Plattform und die UOKG rufen weitere Flüchtlinge, nicht nur aus der ehemaligen DDR, welche an den Grenzen der ehemaligen Tschechoslowakei zum Westen gefasst wurden, eine entsprechende Rehabilitierung zu beantragen. Der Weg ist frei!
Zum Anlass des 31. Jahrestags des Falls der Berliner Mauer freuen sich die Plattform Plattform für das Gedenken und Gewissen Europas (PEMC) und die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), bekannt zu machen, dass seit ihrem gemeinsamen Aufruf am 9. November 2017 insgesamt achtundvierzig ehemalige DDR-Bürger, welche in der Tschechoslowakei bei ihrem Versuch, den Eisernen Vorhang in den Westen zu überqueren entweder getötet oder verhaftet wurden, von Gerichten in der Tschechischen und Slowakischen Republik rehabiliteirt wurden. Achtunddreißig von ihnen haben bereits eine finanzielle Entschädigung erhalten, die übrigen zehn Fälle sind in Bearbeitung. Gerichtsanhörungen zu weiteren vier Flüchtlingen sind geplant. Zum heutigen Tag haben allerdings die Entschädigungen eher einen symbolischen Wert.
„Es freut uns, dass es uns gelungen ist, eine stabile Rehabilitierungspraxis bei den tschechischen und slowakischen Gerichten zu erreichen, und wir wollen weitere ehemalige Flüchtlinge ermuntern, ihren Antrag zu stellen. Es geht um die internationale Aufklärung über das totalitäre Unrecht auf der einen Seite und die Wiederherstellung der Menschenwürde der Opfer auf der anderen Seite,“ sagt Dr. Neela Winkelmann, Managerin des PEMC-Projekts „JUSTICE 2.0“. Insgesamt können an die 18.000 DDR-Flüchtlinge in der ehemaligen Tschechoslowakei in den Jahren 1948-1989 gefasst worden sein.
Was die Entschädigungen betrifft, hat die Plattform die Justizminister der Tschechischen und der Slowakischen Republik angeschrieben, um deren entsprechende Valorisierung, angepasst an heutige Lebenshaltungskosten und Gehälter, zu erreichen. „Wir hoffen, dass sich die Lage in nächster Zukunft bessert,“ sagt Peter Rendek, geschätsführender Direktor der Plattform. „Des Weiteren hätten wir gern eine fairere Entschädigung für Verletzungen und den Verlust von Menschenleben an den Grenzen. Wir finden, die bisher geleisteten Entschädigungen sind nicht angemessen.“
Dieter Dombrowski, Bundesvorsitzender der UOKG: „Dass Tschechien und die Slowakei nach knapp 30 Jahren des Falls der Mauer begonnen haben, DDR-Flüchtlinge zu rehabilitieren, ist ein gutes, wenn auch sehr spätes, Zeichen der Auseinandersetzung mit den Opfern der kommunistischen Gewaltherrschaften. Wir sind froh mit der Platform einen äußerst kompetenten Partner an unserer Seite zu haben, damit den Betroffenen geholfen werden kann.“
Wenn Sie für sich oder Ihre Nächsten eine Rehabilitierung beantragen wollen, schicken Sie bitte eine E-Mail an den Rechtsberater der Plattform, Herrn JUDr. Lubomír Müller, unter lmuller@iol.cz.
In ihrem Projekt „JUSTICE 2.0“ dokumentiert die PEMC systematisch die Menschenrechtsverletzungen von Bürgern während des kommunistischen Regimes. Die PEMC betrachtet das Töten von Zivilisten bei dem Versuch, den Eisernen Vorhang zu überqueren, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Gegen ehemalige hochrangige Vertreter des kommunistischen Regimes, welche verantwortlich waren für das Töten von Zivilisten an den Grenzen der Tschechoslowakei, wird derzeit in der Tschechischen Republik, in Deutschland und in Polen ermittelt.
Seit 2019 dokumentiert die PEMC weitere Fälle von Opfern des Eisernen Vorhangs (Tötungen, Verletzungen, Verhaftungen) in Zusammenarbeit mit dem Centrum Historii Zajezdnia in Wroclaw.