Sonderseite vom 31. August 2022

Viel Platz für die Sieger der Geschichte.
Das Marx-Engels-Forum steht seit August 2022 wieder in der Mitte Berlins.

Honecker resurrexit! Oder die Auferstehung der Gespenster.

Christian Sachse

Für ein Mahnmal, das den Opfern der kommunistischen Gewaltherrschaft gewidmet sein soll, hatte der Berliner Senat trotz vielfältiger Anfragen der UOKG in den letzten zehn Jahren weder Verständnis, Sinn oder Zeit – und schon gar kein Geld. Dafür hat der Senat nun tief in die Schatulle gegriffen und für viel Geld die kommunistischen Gespenster aus der Mottenkiste geholt.

Das Monument

Liest man die Konzeptionen, die aus der DDR stammen, ging es dem ZK der SED nicht um Gedenken oder Ehren der kommunistischen Urahnen, sondern darum, die Besucher zu überwältigen, mit purer Größe und Fläche zu erschlagen. Allein die Größe der Figuren und ihre maskenhafte Starre sollen vermitteln: Hier gibt es für Dich, den kleinen Menschen, nichts zu verändern, nichts zu deuteln oder gar nachzudenken.  Darüber mag man denken, wie man will. Vier Meter in Bronze sollen sie haben, die Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus mit dem Nimbus der Unfehlbarkeit. Wir leben in einer pluralen Kultur.

Doch es geht nicht allein um die beiden philosophischen Amateure Marx und Engels, die politisches Geschick und militante Selbstverteidigung zu Anführern zunächst einer Minderheit und schließlich zu Säulenheiligen von um die zwanzig kommunistischen Diktaturen weltweit werden ließ, die Millionen Tote hinterließen. Jemanden dafür zu ehren, ist schon in sich absurd.

Erzählt wird jedoch noch etwas anderes – und zwar in absoluter Selbstgefälligkeit: Die angebliche Geschichte der dumpfen Masse (wahlweise in Bronze und Marmor) von der Ausbeutergesellschaft bis in die lichten Höhen des Kommunismus. Irgendwo dazwischen das eigentliche Bubenstück: Auf acht Stelen aus säurefestem Edelstahl (Botschaft: „Das bleibt ewig!“) wird die blutige Geschichte der kommunistischen Bewegung und späteren Diktaturen verherrlicht. Glücklicherweise, so mag mancher vielleicht meinen, ist der Edelstahl nicht so kratzfest, wie die Erbauer meinten. Die Fotos am Rand dieser Seite belegen es. Wir meinen aber: nicht weiter zerkratzen! Die Diktatoren und Mitläufer eines der blutigsten Systeme der Weltgeschichte sollen ruhig erkennbar sein: Lenin, Ulbricht, Honecker.

Rechts und links die Fotos auf dieser Webseite sind Zitate dieser Stelen, die Zeugnisse der Verbrechen in Stahl geätzt. Wir werden sie im Folgenden näher betrachten.

Zwei Masken starren in die Zukunft.

Marx und Engels aus der
Perspektive der Besucher

Die Stelen aus Edelstahl:

Da sind sie wieder, die Gespenster der Vergangenheit. Ohne auch nur einen Satz der Erklärung und – wie es heute so schön heißt – Kontextualisierung grinsen sie alle wieder in die Kamera (siehe Fotos aus den Stelen rechts und unten):

  • Ernst Thälmann und seine Genossen machen 1928 in der Uniform des Rotfrontkämpferbundes die Straßen Hamburgs unsicher.
  • Lenin, der blutige Führer der bolschewistischen Revolution grüßt militärisch 1920 vom Roten Platz in Moskau.
  • Unter den nachdenklichen Blicken Walter Ulbrichts versprechen sich Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl während der Zwangsvereinigung von SPD und KPD im April 1946 die ewige Treue.
  • Ein aufrechter Genosse übergibt den ebenso aufrechten Kämpfern der Kampfgruppen der Arbeiterklasse Gewehre, mit denen sie das unzuverlässige Volk der DDR vor sich selbst schützen.
  • Der gut gelaunte Diktator Erich Honecker flirtet mit einer FDJ-Angehörigen, die ihm vertrauensvoll zulächelt.

Gegen diese Triumphe der Geschichte fallen 250.000 politische Gefangene und 130.000 Insassen von Umerziehungsheimen, Tausende von Frauen in den Tripperburgen und Tausende zwangsumgesiedelte Grenzbewohner natürlich nicht ins Gewicht. Mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass die ideologischen Versatzstücke von Marx und Engels zusammen mit dem dazugehörigen Weltreich binnen weniger Monate zusammengebrochen sind, während tausende von Opfern noch leben und die Folgen zu tragen haben.

Irgendwie hatten Marx und Engels mit ihrer Prophezeiung aus dem Jahr 1848 doch Recht: „Es geht ein Gespenst um in Europa.“ Irgendwann kommt Wladimir Putin und legt einen Kranz am Marx-Engels-Forum nieder. Da passt irgendwas zusammen.

Christian Sachse, UOKG

Übergabe von Gewehren an die sogenannten
Kampfgruppen der Arbeiterklasse,
eine paramilitärische Truppe,

Erich Honecker, verantwortlich für
Arbeitslager und Jugendwerkhöfe
als Freund der Jugend

Weitere Bilder von den Stelen aus Edelstahl.

Der Rotfrontkämpferbund erobert 1928 die Straßen Hamburgs,
destabilisiert die Weimarer Republik und bereitet den
Boden für das NS-Regime.

Um die Zwangsvereinigung zur SED im April 1946 durchzusetzen,
wurden Zehntausende eingeschüchtert, vertrieben oder inhaftiert.

Lenin, mit ausländischem Geld
einen blutigen Putsch initiiert
und damit die demokratischen Aufbrüche
nach dem Zarenreich für ein Jahrhundert zunichte gemacht.