Gemeinsame Presseerklärung des Dachverbands der SED-Opfer und der „Interessengemeinschaft der ehemaligen DDR-Flüchtlinge“

Am 22. März 2012 fand in Berlin das Kolloquium »Generation „Flucht-Ausreise-Freikauf“ – eine Minderheit per Wiedervereinigung« statt. Eine gemeinsame Veranstaltung der „Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft e.V.“ (UOKG) und der „Interessengemeinschaft ehemaliger DDR-Flüchtlinge e.V.“ (IEDF), unterstützt von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Die Teilnehmer des Kolloquiums fordern ein Ende der politischen Diskriminierung der Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR.

Im Rahmen der Veranstaltung gab es eine Podiumsdiskussion. Die Teilnehmer waren:

  • Ottmar Schreiner, Bundestagsfraktion der SPD
  • Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bundestagsfraktion Bündnis90/DieGrünen
  • Angelika Barbe, Bürgerrechtlerin, Bundestagsabgeordnete a.D., Zeitzeugin
  • Jutta Fleck, Leiterin des Schwerpunktprojekts „Politisch-historische Aufarbeitung der SED-Diktatur“ der HLZ, „Frau vom Checkpoint Charlie“

Moderation: Dr. Jürgen Holdefleiß, Vorstand IEDF

Alle Anwesenden solidarisieren sich mit dem Kampf der Interessengemeinschaft ehemaliger DDR-Flüchtlinge um die Wiederherstellung des verletzten Rechts und stellen sich ausdrücklich hinter den folgenden Text und verabschiedeten eine Resolution:

Wir klagen an:

  1. Die Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR waren durch ihre Eingliederung unter dem Schirm des Grundgesetzes zu Bürgern der Bundesrepublik Deutschland geworden. Mit dem Beitritt der DDR wurden sie faktisch wieder zu DDR-Staatsbürgern gemacht, um sie formal am Beitritt der DDR zum 3. Oktober 1990 teilnehmen zu lassen.
  2. Es gibt kein von der gesamtdeutschen Legislative beschlossenes Gesetz, das die Exekutive zu der unter Pkt.1 genannten Maßnahme ermächtigt.
  3. Die Hintergründe (Motive, Zielstellung, Verantwortlichkeit) zu der unter Pkt.1 genannten Maßnahme wurden durch die Regierung bisher nicht öffentlich zugänglich gemacht.
  4. Diese „Doktrin“, nach der DDR-Flüchtlinge wieder zu DDR-Staatsbürgern gemacht wurden, ist nicht nur eine politische Diskriminierung, sondern hat, wie auch die Regierung weiß, soziale Folgen. Damit werden die Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR in doppelter Hinsicht zu Verlierern der Wiedervereinigung.
  5. Den von Partei und Regierung der ehemaligen DDR Begünstigten ist es gelungen, ihre Privilegien (Renten, Sonderrenten) aus dem Unrechtsregime DDR per 3. Oktober 1990 unter den Schutz des Grundgesetzes gestellt zu bekommen. Den Flüchtlingen aus der ehemaligen DDR hingegen wurde gleichzeitig der Schutz durch das Grundgesetz entzogen.
  6. Da eine klare gesetzliche Grundlage fehlt, wurde die „Ausgliederung“ der ehemaligen DDR-Flüchtlinge geheim gehalten. Informationen sind zu keiner Zeit ergangen, weder individuell an die Betroffenen, noch öffentlich über regierungsamtliche Verlautbarungen, noch über die Medien.

Resolution

Die Teilnehmer des Kolloquiums fordern Regierung und Parlament auf, das verletzte Recht unverzüglich wiederherzustellen. Hierzu wird auch auf die seit 2006 beim Petitionsausschuss des Bundestages liegende, aus mehreren hundert Einzelpetitionen bestehende einschlägige Sammelpetition verwiesen.

Dr. Jürgen Holdefleiß                                     Rainer Wagner
(Vorsitzender IEDF)                                       (Vorsitzender UOKG)

Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) appelliert an Frau Beate Klarsfeld, ihren Namen nicht von der Partei „Die Linke“, die verantwortlich ist für Mauermord und Stasi-Verbrechen, missbrauchen zu lassen.

Der Bundesvorsitzende der UOKG Rainer Wagner, der bereits als 15-Jähriger eine politische DDR- Haft verbüßen musste, erklärte: „Der Mut und das Engagement von Frau Klarsfeld für eine gerechte Bestrafung der Nazi-Verbrecher und konsequente Aufarbeitung der NS-Diktatur haben vielen von uns Achtung und Respekt abgenötigt. Umso mehr erschüttert es uns, dass die für Mord an der DDR-Grenze, menschenverachtende Verbrechen in Gefängnissen, Willkürurteile der SED-Justiz und Stasi-Zersetzungsmaßnahmen verantwortliche Partei dabei ist, den guten Namen von Frau Klarsfeld zu beschmutzen.

Wir appellieren an Frau Klarsfeld, das Angebot der in „Die Linke“ umbenannten SED, in der ein Großteil der Mitglieder das DDR-Unrecht noch heute bagatellisiert, es rechtfertigt oder es gar als Modell für die Zukunft anpreist, abzulehnen. Noch heute leiden Hunderttausende an den Folgen der SED-Unterdrückung. Wir würden es sehr bedauern, wenn wir feststellen müssten, dass Frau Klarsfeld ihre moralische Autorität als ehrliche Kämpferin für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit aufs Spiel setzt“.

Zum Rücktritt von Christian Wulff
Opfer der SED-Diktatur schlagen Joachim Gauck als Kandidaten für das Bundespräsidentenamt vor

Uns Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft haben die unangenehmen Auseinandersetzungen um Bundespräsident Christian Wulff sehr betrübt.

Als UOKG hatten wir immer besonderes Vertrauen zu den jeweiligen Bundespräsidenten. Soweit ich es übersehe, haben sie sich alle stark in der Frage des Zusammenwachsens Deutschlands und der Aufarbeitung des Unrechts in der DDR verdient gemacht. Deshalb berührt uns die Beschädigung des Amtes des Staatsoberhauptes besonders.

Es ist jetzt dringend nötig, dass eine von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragene Persönlichkeit diesem Amt erneut Autorität verleiht. Wir denken, dass kaum ein anderer für diese Aufgabe geeigneter ist als Joachim Gauck. Es gibt nur wenige so unumstrittene und in der Bevölkerung geachtete Persönlichkeiten wie ihn. Er steht in vieler Hinsicht über den Parteien und kann daher in hohem Maße integrierend wirken. Joachim Gauck würde die angeschlagene Autorität des Amtes nicht nur sehr schnell wieder herstellen, sondern wahrscheinlich noch stärken. Gleichzeitig trauen wir ihm zu, angesichts der großen Herausforderungen und Probleme, vor denen unser Volk und Land 2012 steht, unserer Bevölkerung die nötige Kraft und Orientierung zu geben.

Rainer Wagner, UOKG-Bundesvorsitzender

 

Zur Beförderung eines früheren DDR-Staatsanwalts in Brandenburg, der an Strafverfahren wegen „illegalen Grenzübertritts“ mitgewirkt hatte, erklärt der UOKG-Bundesvorsitzende Rainer Wagner, der selbst als 15-Jähriger wegen „versuchter Republikflucht“ zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt wurde:

„Für ehemalige politisch Verfolgte ist es nicht hinnehmbar, dass man einen derartigen Vorgang mit Aussagen zu legitimieren versucht, die damaligen Urteile hätten sich ‚im üblichen Rahmen‘ bewegt und seien nicht als ‚Übermaßentscheidungen‘ einzustufen.

DDR-Verurteilungen mit einem politischen Hintergrund werden heute als rechtsstaatswidrig definiert und die Opfer rehabilitiert. Jeder ehemalige DDR-Richter, der einst an einem solchen rechtsstaatswidrigen Verfahren beteiligt gewesen ist, hat sich fachlich und moralisch disqualifiziert und ist somit nicht befähigt, ein vergleichbares Amt in einem Rechtsstaat auszufüllen.

Jede politische Verurteilung stellte ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Die Haftbedingungen für ehemalige politische Inhaftierte in der DDR, speziell die der Verurteilung vorausgehende U-Haft, lassen sich entsprechend der ‚UNO-Konvention gegen Folter‘ aus dem Jahr 1984 als psychologische Folter charakterisieren.

Vor diesem historischen Hintergrund fordern wir eine bedingungslose kritische Auseinandersetzung mit der bisher in Vergangenheit und Gegenwart angewandten Beförderungspraxis in der Brandenburger Justiz.“

Nach Bundestagsdebatte: Kein Ende der Diskriminierung von DDR-Übersiedlern in Sicht

In den späten Abendstunden des 26.01.2012 hat der Deutsche Bundestag über Anträge von SPD und Bündenis90/DieGrünen „DDR-Altübersiedler und –flüchtlinge vor Rentenminderung schützen“ erstmalig debattiert und abschließend abgestimmt (TOP 12 der 155. Plenarsitzung).

Die Antragsteller wollten mit ihren Anträgen die anlässlich des Beitritts der DDR verfügte Diskriminierung der Generation „Flucht-Ausreise-Freikauf“ beenden. Die Anträge wurden mit den Stimmen der CDU, CSU, FDP abgelehnt.

Die Redner der Oppositionsparteien haben sehr klar die politischen Konturen des Konfliktes betont, vergangene rechtsstaatliche Versäumnisse eingeräumt und für Zustimmung zu den Anträgen geworben.

Die Redner der Koalitionsparteien haben das Angebot zur Zusammenarbeit nicht angenommen und sich gegen eine Korrektur zugunsten der Betroffenen ausgesprochen. Eigene Anträge zur Wiederherstellung des verletzten Rechts wollten sie nicht in Aussicht stellen.

Beim Petitionsausschuss des Bundestages liegt seit 2006 eine Sammelpetition aus mehreren hundert Einzelpetitionen, mit der die Regierung aufgefordert wird, die rückwirkende Einbeziehung der ehemaligen DDR-Flüchtlinge in den Prozess des Beitritts der DDR rückgängig zu machen. Mehrere Redner der Opposition forderten, alles dafür zu tun, dass dieser Petition nicht das gleiche Schicksal zuteil wird wie den auf der 155. Plenarsitzung abgelehnten Oppositionsanträgen.

UOKG und IEDF sind jederzeit offen für ein konstruktives Gesprächsangebot.

Der Verfassungsschutz beobachtet führende Politiker der SED-Nachfolgepartei „Die Linke“.
Die Opfer der SED-Diktatur begrüßen dies ausdrücklich.

Hierzu Rainer Wagner, Bundesvorsitzender des Dachverbands der SED-Opfer:

“Wir politisch Verfolgten des SED-Regimes leiden noch heute an den Spätfolgen des Unrechtsstaates DDR.
Das macht uns sensibel gegen alle Bestrebungen, die auf eine Systemveränderung unserer freiheitlichen Demokratie hinarbeiten. Dass in der Linken solche Bestrebungen zu finden sind, daran besteht kein Zweifel.“

Rainer Wagner hat sich diesbezüglich mit einem Schreiben an die Spitzen der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, FDP, SPD und BÜNDNIS 90/Die Grünen gewandt. In diesem Schreiben ersucht Wagner die Fraktionen, die Beobachtung der „linksextremen früheren SED durch den Verfassungsschutz aufrecht zu erhalten.“ Solches sei notwendig, um „unsere Demokratie vor Schaden zu bewahren.“

Ernst-O. Schönemann, stellvertretender Bundesvorsitzender ergänzt:

“Die Gefährlichkeit der „Linkspartei“ darf nicht unterschätzt werden. Diese Partei dokumentiert tagtäglich ihre Nähe zur SED, hofiert Ex-Stasileute, schützt Leute mit Stasivergangenheit in Ihren Reihen und verhöhnt die Opfer. Hier nicht genauer hinzusehen, wäre grob fahrlässig.“