Unter reger Beteiligung von Betroffenen und Fachleuten fand am 14. Oktober 2023 im Erfurter Augustinerkloster der angekündigte Kongress über die DDR-Jugendhäuser statt. Hinter der Bezeichnung „Jugendhäuser“ hatte die DDR seit 1952 erfolgreich einen Großteil ihrer Jugendstrafanstalten versteckt. Vermutlich handelte es sich um eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit, denn zur gleichen Zeit entstanden im Westen Deutschlands die ersten Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, von denen eine ganze Reihe bis heute den Namen „Jugendhaus“ trägt.
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Die Grußworte des Bundesvorsitzenden der UOKG, Dieter Dombrowski, von Staatssekretärin der Thüringischen Staatskanzlei, Tina Beer, vom Thüringer Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Dr. Peter Wurschi und vom Vorsitzenden des Thüringer Archivs für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“, Andreas Ilse, machten deutlich, dass es gelungen ist, das Thema, vor allem aber die Folgen für die ehemaligen Insassen, an die Politik und Aufarbeitung heranzutragen. Neben der Förderung durch die Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur ist in diesem Zusammenhang die gelungene Kooperation mit den genannten Thüringer Einrichtungen hervorzuheben.
In Zusammenarbeit mit dem von Stefanie Falkenberg geleiteten Projekt DENKOrte führten fünf geladene Fachleute in das Thema ein. Christian Sachse zeigte die langen Traditionslinien auf des modernen Jugendstrafvollzuges auf, die bis in die späte Kaiserzeit zurückreichen. Einen achtenswerten Fortschritt brachte die Weimarer Republik, der leider vom Nationalsozialismus weitegehend zerstört und von der DDR nur rudimentär wieder aufgegriffen wurde. Ziel des Referates war es, Geschichte an den langen Traditionslinien verstehbar zu machen, Kontinuitäten und Brüche zu markieren. Im Anschluss stellte Stefanie Falkenberg, Elisabeth Kohlhaas, Manfred Buchta und PD Dr. Udo Grashoff ihre Forschungsergebnisse zu den Jugendhäusern Hohenleuben, Torgau, Dessau-Wolfen, und Halle („Frohe Zukunft“) vor. Zu Torgau ist nachzutragen, dass es in dieser Stadt zwei Einrichtungen gab: den Geschlossenen Jugendwerkhof und das Jugendhaus.
In bewährter Moderation durch Isabel Fannrich-Lautenschläger (Deutschlandfunk) kamen nun zwei Zeitzeugen und zwei Zeitzeuginnen zu Wort: Roland Hermann sprach über Halle, Fred Winterfeldt über Gräfentonna, Heidi Mellentin über Dessau und Kerstin Seifert über Hohenleuben.
Der Nachmittag sollte Schritte in die Zukunft weisen: die Juristin Ass. jur. Martina Kegel von der UOKG sprach über Chancen der Rehabilitierung und Entschädigung. Die sinnkonforme Auslegung der Rehabilitationsgesetze gibt eine solche Möglichkeit schon heute her. Gerade hier ist aber noch viel Aufklärung zu leisten. Weitere Aufklärung leisten das Torgauer Dokumentations- und Informationszentrum mit einer Ausstellung zum Torgauer Jugendhaus und das Projekt „DENKOrte“ mit einem Erinnerungsort in Hohenleuben.
Den Abschluss bildete der Dokumentarfilm „Verriegelte Zeit“ von Sibylle Schönemann aus dem Jahr 1990, der durch seine genauen Beobachtungen und intensiven Fragestellungen im Gedächtnis bleiben wird.
Die TV-Dokumentation des Kongresses findet sich in Kürze auf dem YouTube-Kanal UOKGnews. Eine Druckversion erscheint noch in diesem Jahr.
Die beteiligten Forscherinnen und Forscher – so viel darf verraten werden – haben verabredet, ihre Arbeiten weiterzuführen.