Vor acht Monaten haben wir dazu aufgerufen, an Politiker der Länder und des Bundes zu schreiben, damit sie sich dafür einsetzen, dass aus den zurückfließenden SED-Geldern wenigstens ein Teil für einen Härtefallfonds eingesetzt wird.

Zusätzlich hat die UOKG mit der gleichen Aufforderung an die Fraktionen aller Landtage der östlichen Bundesländer, alle Ministerpräsidenten und weitere Politiker sowie Bundesbehörden geschrieben.

Auf diese Weise sind etwa 500 Briefe oder Mails ins Land gegangen. Das Ergebnis lässt sich in vier Worten beschreiben: Es gibt keinen Cent.

Man kann das Ganze noch ein bisschen differenzierter betrachten:

– Es sind eine Reihe von Politikerinnen und Politikern aufgewacht, d.h. sie haben angefangen, sich damit zu beschäftigen, dass in Ost- und Westdeutschland Menschen leben, die noch heute unter den Folgen der Repressionen der SED-Diktatur leiden.

– Es gab eine Reihe gut gemeinter Initiativen, zum Beispiel DDR-Gedenkorte besser zu unterstützen. Bloß davon haben diejenigen nichts, die mitunter nicht mal das Fahrgeld haben, um die Gedenkstätte zu besuchen. Den Betroffenen nutzt es auch nichts, wenn irgendwo „die Erinnerung an ihr Leid bewahrt“ (Zitat) wird. Für die ist ein Härtefallfonds auf jeden Fall die bessere Lösung.

– Es sind einige Initiativen gestartet worden, die Hoffnung machen. So soll es in Sachsen bald einen Härtefallfonds geben, der sich an dem Brandenburger Fond orientiert.

– Manche haben es sich auch leicht gemacht, wie der Thüringer Landtag, der einfach den Bund aufgefordert hat, aktiv zu werden. Aber immerhin.

– Manche haben einen Härtefallfonds aus SED-Geldern auch rundheraus abgelehnt, wie der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller. Wenn jemand hier aktiv werden müsste, dann nicht Berlin, sondern der Bund, so Müller.

– Die meisten Ablehnungen waren mit dem Argument verbunden, man müsse sich an geltendes Recht halten. Und das verbiete eine Auszahlung an die ehemaligen Häftlinge. Nur wenige fügten den nahe liegenden Satz hinzu, dass man das geltende Recht schon mehrfach geändert hatte und nun auch zugunsten der SED-Opfer ändern könnte. Dann kam gleich der nächste Satz, der besagte, dafür werde es keine Mehrheiten geben.

Genaueres, auch über die einzelnen Bundesländer, können Sie hier nachlesen. Einen ausführlichen Bericht finden Sie hier: Titel „Wo kein Wille ist, da ist auch kein Weg„.

Was nun? Die wenigen lohnenden politischen Aktivitäten werden wir weiter begleiten. Mit denjenigen Politikerinnen und Politikern, die wir als kooperativ kennengelernt haben, werden wir weiter Kontakt halten.

Wir wissen: Die Uhr tickt. Ein Beispiel: Vom Kreis der 200 Insassen des Lagers Berndshof, die 1964 wegen Wehrdienstverweigerung inhaftiert waren, leben noch 150. Für uns ist das bedrückend, aber auch ein Ansporn, den Härtefallfonds weiter zu verfolgen.

Christian Sachse

Wie Michael Gronau mitteilte, ist sein Vater Klaus Gronau am 9. Februar 2018 verstorben. Klaus Gronau bleibt uns als aktiver und aufrechter Streiter für die Aufarbeitung des Unrechtes der SED-Diktatur in guter Erinnerung. Insbesondere setzte er sich als Zeitzeuge des 17. Juni 1953 dafür ein, dass der Platz vor dem heutigen Bundesfinanzministerium in „Platz des Volksaufstandes“ umbenannt wurde. Seine jahrelangen unnachgiebigen Bemühungen waren schließlich von Erfolg gekrönt. Wir haben diesen Tag ausgiebig gefeiert. In vielen Veranstaltungen stand er uns mit seinem umfangreichen Erfahrungen zur Verfügung. Als ehemaligem Mitglied unseres Vorstandes hat ihm die UOKG großen Dank abzustatten. Am 15. Februar 2017, fast genau vor einem Jahr, ehrte die UOKG sein Wirken auf ihrer Festveranstaltung. Wir trauern um einen unermüdlichen Mitstreiter, der bis ins hohe Alter für Demokratie und Rechtsstaat gestritten hat.

Klaus Gronau am 16. Juni 2013 bei der feierlichen Umbenennung des Platzes in Platz des Volksaufstandes von 1953 – v.l.n.r. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, Klaus Gronau, Innensenator Henkel, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble – (r) UOKG

Im Rahmen der Mitgliederversammlung am Samstag, dem 18. November 2017 standen satzungsgemäß neue Vorstandswahlen an.
Dieter Dombrowski stellte sich nach seiner 2 jährigen Amtszeit erneut zur Wahl und wurde mit großer Mehrheit (85,7%) in seinem Amt bestätigt.
Auch Roland Lange wurde mit großer Mehrheit gewählt und ist damit alter wie neuer 1. stellvertretender Vorsitzender.
Bei dem 2. stellvertretenden Vorsitzenden gab es eine Veränderung. Neu im Amt ist Carla Ottmann, die Ernst-Otto Schönemann ablöst.

Zum Vorstand gehören weiterhin als Beisitzer: Inge Bennewitz, Konstanze Helber, Sybille Krägel und Ernst-Otto Schönemann.

Die Antworten der Parteien siehe unten Anlagen. Es folgt eine Zusammenfassung.

Mit der Wahl am 24. September zum 19.Bundestag werden im deutschen Bundestag die Karten neu gemischt. Je nach Konstellation einer neuen Koalition bedeutet das auch für die Anliegen der SED-Opfer Verbesserungen ihrer Lage. Zu den Wahlprogrammen zur BTW 17 der einzelnen im Bundestag vertretenen Parteien sei aber gesagt, dass die Thematik und Belange der SED-Opfer jeweils recht wenig Platz eingenommen haben.

Während im Wahlprogramm der SPD die meisten Erwähnungen diesbezüglich vorgenommen wurden, findet man bei der CDU/CSU nur eine recht allgemeine Formulierung hinsichtlich der Erinnerung und Aufarbeitung des SED-Unrechts in der DDR. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen betont in ihrem Wahlprogramm insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Die gesellschaftliche und wissenschaftliche Aufarbeitung der SED-Diktatur ist ihr aber auch wichtig. Bei der Partei Die Linke, setzt man sich für eine für eine „plurale Geschichts- und Erinnerungspolitik“ und eine „differenzierte Aufarbeitung der Geschichte der DDR“ ein.

Konkrete Verbesserungen bei der Opferentschädigung wie zum Beispiel die Entfristung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze oder die Entschädigung von Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen enthalten die Wahlprogramme nicht.

Um mehr zu erfahren, was die einzelnen Parteien zur Verbesserung der Lage der SED-Opfer planen, haben wir daher Wahlprüfsteine an alle Bundestagskandidaten und Kandidatinnen der im Bundestag vertretenen Parteien geschickt. Unsere Wahlprüfsteine orientierten sich an den folgenden Themenblöcken (siehe Wahlprüfsteine):

  • Lage der Opfer der SED-Diktatur;
  • Rehabiliterungsgesetze,
  • Opferpension,
  • versorgungsrechtliche Ansprüche,
  • Entschädigungen;
  • Psychosoziale Lage der Opfer;
  • Mahnen, Erinnern und Gedenken;
  • Verbesserte Akteneinsicht,
  • Institutionen und Iniativen.

Die UOKG bekam von allen Parteien zu den von uns gesetzten Fristen die Antworten zugeschickt. Redaktioneller Schluss war für uns der 31.08.2017. Damit wurden seitens der Parteien die dann doch recht wage formulierten Vorstellungen in den jeweiligen Wahlprogrammen bezüglich unserer Thematik konkretisiert. Zum Zeitpunkt des redaktionellen Schlusses, bekamen wir von den über 1000 einzeln angeschriebenen Kandidaten 190 Antworten.

Von der CDU/CSU antworteten 40 Kandidaten, von Bündnis 90/Die Grünen 58 Kandidaten, von den Linken 66 Kandidaten, von der SPD 26 Kandidaten. Bei vielen angeschriebenen Kandidaten mussten wir leider feststellen, dass wir die vorgefertigten Antworten der jeweiligen Bundespartei zugeschickt bekamen. Es gab aber auch individuelle Antworten von Kandidaten und Kandidatinnen, die uns von ihren persönlichen Erlebnissen in der DDR berichteten.

Zur Lage der SED-Opfer

Zur Lage der SED-Opfer gab es von Seiten der SPD, CDU/CSU sowie von Bündnis 90/Die Grünen jeweils ein eindeutiges Signal dafür, dass die Lage der SED Opfer weiter verbessert werden soll und die Aufarbeitung ihrer politischen Verfolgung sowie ihre Rehabilitierung unterstützt wird.

Entfristung

Zur Entfristung der Rehabilitierung gibt es von Seiten der SPD ein eher zögerliches Zeichen. Nach Auskunft der SPD soll mit dem erfolgten Entschließungsantrag (Ausschuss Drucksache 18(6)76) im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz im Deutschen Bundestag geprüft werden, ob die Frist in Abstimmung mit den Bundesländern, die für die Entschädigung zuständig sind, gestrichen werden kann. Die anderen Parteien beantworten die Frage der Entfristung der Rehabiliterungsgesetze jedoch übereinstimmend und deutlicher. Sie wollen jeweils eine Entfristung der Rehabiliterungsgesetze.

Verfahren verbessern

Alle Parteien wollen jeweils mit teils unterschiedlichen Vorstellungen die Verfahren der Rehabilitierung verbessern. Bündnis 90/Die Grünen wollen eine Harmonisierung der Gutachter und Entscheider Gremien, betonen aber auch, dass die jeweiligen Expertengutachter und Expertengerichte sich gut auskennen sollten. Die SPD und die CDU befürworten, dass die Bundesländer im Rahmen der Rehabilitierungsverfahren den Antragstellern eine mündliche Anhörung zugestehen sollten. Die Linke betont hierzu, dass man den Betroffenen die Beweislast für die Kausalität von Haftschänden und ihren Folgen nehmen möchte. Eine Kausalität, so die Linken, ist daher im Zweifel immer zugunsten der Betroffenen anzunehmen.

Opferpension, Versorgung, Entschädigungen

Zu der Thematik der Opferpension, versorgungsrechtlichen Ansprüche und Entschädigungen äußerten sich auch alle Parteien jeweils eindeutig, aber mit unterschiedlichen Vorstellungen. Bündnis 90/Die Grünen und die Linken wollen etwa die 180 Tage Regelungen nach § 17 a StrRehaG zugunsten besonders Geschädigter verändern bzw. abschaffen. Die CDU/CSU, SPD und Die Linken sehen bei den Opfern der Bodenreform keine Notwendigkeit, die bisher getroffenen Regeln zu verändern. Bündnis 90/Die Grünen setzen hier ein klares Zeichen. Sie sprechen sich für eine gerechte Behandlung der Opfer der Bodenreform und den damit erfolgten Enteignungen aus.

Psychosoziale Lage

Zur psychosozialen Lage der Opfer äußern sich die SPD und die Linke eher allgemein und nicht spezifisch. Die CDU/CSU spricht sich für eine gute und ausreichende psychosoziale Beratung, Therapie und medizinische Versorgung der Opfer der SED-Opfer aus. Auch Bündnis 90/Die Grünen spricht davon, das man etwa spezialisierte Beratungsstellen stärken solle.

Mahnen, Erinnern, Gedenken

Zum Mahnen, Erinnern und Gedenken, gab es bei der CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen ein klares Bekenntnis zum Mahnmal für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft. Die Linken wollen hier anders als die SPD, kein undifferenziertes Gedenken, dass auch die Zeit des Nationalsozialismuses in dieses Denkmal miteinschließt. Der weiteren Förderung von Gedenkstätten mit nationaler Bedeutung stehen alle befragten Parteien positiv gegenüber. Gleiches gilt für die Förderung von Institutionen und Iniativen. Für die Linken steht hier aber auch im Vordergrund, dass eine regelmäßige Überprüfung der dargestellten Inhalte im Hinblick auf den aktuellen Stand de historischen Forschung ihrer professionellen dikatischen Umsetzung erfolgt. Auch, so die Linken, gilt es Institutionen und Iniativen derem Bedarf entsprechend zu fördern und diesen Bedarf dementsprechend stets zu evaluieren.

Akteneinsicht

Zum weiteren Bestand der Stasi-Unterlagen-Behörde sieht die Linke deren Aufgabe als getan an und spricht sich für eine offene Diskussion darüber aus, das die Stasi-Unterlagen institutionell und rechtlich, in den Bereich des Bundesarchivs übergehen. Bündnis 90/Die Grünen wollen den Aktenbestand im gesamten erhalten und die Außenstellen der BStU als Begegnungs- und vor allem Bildungsorte ausbauen. Generell setzen sich aber alle Parteien dafür ein, dass eine gute und verbesserte Akteneinsicht erfolgt. Hierfür, so alle befragten Parteien, muss man die technischen Voraussetzungen schaffen und den Betroffenen die Möglichkeit stets geben Einsicht zu nehmen.

Seit 2009 wird der 23. August als Europäischer Tag des Gedenkens an die Opfer von Stalinismus und Nationalsozialismus begangen.

Der Potsdamer Verein „Gedenk- und Begegnungsstätte ehemaliges KGB-Gefängnis“ (Leistikowstr) wird diesen Gedenktag würdig begehen und lädt für 18 Uhr in die Gedenk- und Begegnungsstätte ein. Den Festvortrag mit dem Titel „Phönix aus der Asche: Von der Kraft europäischer Erinnerungen an Stalinismus und Nationalsozialismus“ wird Karl-Konrad Tschäpe halten.

Einzelheiten sind dem Flyer im Anhang zu entnehmen.

Seit vier Jahren hat die UOKG immer wieder gefordert, den sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen Heimen und Familien der DDR zu untersuchen. Betroffene hatten immer wieder berichtet, dass es in Spezialheimen und Jugendwerkhöfen zu sexuellen Übergriffen gekommen war.

Im Herbst letzten Jahres erhielt die UOKG den Auftrag, diese absolut weißen Flecken in der Geschichte der SED-Diktatur zu untersuchen. Bis dahin gab es eine große Zahl an Untersuchungen über die alte Bundesrepublik, aber keine einzige über sexuellen Missbrauch in der SED-Diktatur.

Die Expertise wurde am 11. Oktober auf dem 2. Hearing der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs von den Autoren vorgestellt. Dr. Christian Sachse (UOKG) berichtete über aufgefundene Dokumente und unveröffentlichte Statistiken, Benjamin Baumgart (UOKG) über den juristischen Umgang und Stefanie Knorr (Gegenwind) über die psychischen Folgeschäden.

Nur ein Bruchteil der Missbräuche wurde überhaupt bekannt. Interne Zahlen belegen aber, dass es zwischen 1960 und 1989 84.000 Anzeigen wegen sexuellen Kindesmissbrauchs gegeben hat. Die Dunkelziffer lag allerdings viel höher. Nur jeder 7. Fall wurde angezeigt. So müssen wir davon ausgehen, dass es in den genannten Jahren mehr als eine halbe Million Missbrauchsfälle gegeben hat.

Dass die DDR ihr selbstgepflegtes Image einer lückenlos „sauberen sozialistischen Moral“ nicht ankratzen wollte, und daher Informationen unterdrückte, wo sie nur konnte, erscheint aus der Perspektive der kommunistischen Diktatur allzu logisch. Warum aber fast dreißig Jahre nach dem Ende der DDR vergehen mussten, ehe sich die heutige Demokratie dieser Frag annahm, ist nicht erklärbar. Es ist auch nicht entschuldbar. Es ist peinlich.

In seinem Vorwort zur Untersuchung schreibt Dieter Dombrowski: „Die UOKG, deren Aufgabe in der Vertretung der Opfer in Politik und Öffentlichkeit besteht, begrüßt dieses Projekt als einen Beginn der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Osten
Deutschlands, der in den westlichen Bundesländern bereits viel weiter fortgeschritten ist. Vor allem im Namen der Opfer, die ihr Schicksal bis heute zu tragen haben, ist eine möglichst weitgehende Aufklärung geboten. Nur so sind spezifizierte Angebote zur Therapie und Lebenshilfe möglich, die den Betroffenen weiterhelfen.“

Titel:
Dr. Christian Sachse, Stefanie Knorr, Benjamin Baumgart:
Expertise. Historische, rechtliche und psychologische Hintergründe des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen in der DDR.
Hrsg.: Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
Berlin, Leipzig 11. Oktober 2017

Die Expertise kann hier heruntergeladen werden:

https://www.aufarbeitungskommission.de/wp-content/uploads/2017/10/Expertise-DDR_online.pdf