Mit großer Trauer hat die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) die Nachricht erhalten, das ihr langjähriger Vorsitzender und zuletzt Ehrenvorsitzender Gerhard Finn heute morgen verstorben ist.

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde er ein prominentes Gründungsmitglied der UOKG, um die kommunistischen Verbrechen aufzuarbeiten. Dazu verfaßte er, besonders zwischen 1954 und 2000, mehrere wissenschaftliche Publikationen, unter anderem über die Speziallager der sowjetischen Besatzungsmacht auf deutschen Boden, den politischen Strafvollzug in der DDR. Er schrieb als Zeitzeuge und Chronist über die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU). Noch 2004 empfahl er bei einer Rede in Buchenwald einen empirischen Diktaturenvergleich.

Für den UOKG-Vorstand erklärte der Bundesvorsitzende Rainer Wagner:
„Mit Gerhard Finn verlieren wir Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft einen mutigen Mitstreiter, der trotz schwerer persönlicher Leiden in den Folterkellern des sowjetischen Geheimdienstes und jahrelanger Haft im Lager Buchenwald sein Leben für die Werte der Freiheit und Demokratie einsetzte.

In seinem Amt als UOKG-Vorsitzender von 1994-2002 einte er die unterschiedlichen Opfergruppen, und gab ihnen eine in Politik und Öffentlichkeit gehörte Stimme. Die UOKG ehrte ihn 2012 mit der „Goldenen Ehrennadel“. Seine Spuren werden unsere Arbeit auch zukünftig mitprägen.“


Laudatio 2005 von Rechtsanwalt Günther Rudolph (Frankfurt/Main) zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse:

Gerhard Finn, geboren 1930 in Berlin, wurde während des Krieges nach Thüringen evakuiert und dort im Dezember 1945 von Organen der sowjetischen Besatzungsmacht unter Werwolf-Verdacht verhaftet. Nach 5 Monaten Haft in Jena kam er in das sowjetische Speziallager Nr. 2 Buchenwald bei Weimar. Mitte 1948 wurde er tuberkulosekrank entlassen.

Diese Ereignisse haben sein gesamtes berufliches Leben und Wirken geprägt. Wenige Monate nach seiner Entlassung (Dezember 1948) beteiligte er sich in Berlin am Aufbau der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“, zunächst beim Suchdienst, nach Besuch der Presseschule übernahm er die Pressearbeit dieser Institution. Ab 1958 arbeitete er in Hannover in der Redaktion der Monatszeitschrift „Deutsche Umschau“, der Zeitung der Vertriebenen. Bereits 1959 veröffentlichte er das erste Buch über die politischen Häftlinge der SBZ/DDR, das lange Jahre als Standardwerk
galt. Wegen seiner Zusammenarbeit mit dem „Büro Bonner Berichte“ beim Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen übersiedelte er 1961 nach Bonn. Während der ganzen Zeit informierte er die Öffentlichkeit durch Vorträge, Informationsveranstaltungen und eigene Publikationen über das Schicksal und die Lage der politischen Häftlinge in der früheren Sowjetischen Besatzungszone und der DDR, seiner ersten Veröffentlichung folgten zu diesem Themenkreis 11 weitere Bücher und mehr als 22 Einzelabhandlungen, Berichte und Ausarbeitungen.

1965 übernahm ihn das Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen, zunächst als Mitarbeiter in der Pressestelle, von 1970 bis 1980 war er Pressesprecher dieses Ministeriums. Danach befasste er sich mit dem Aufbau eines Betreuungsnetzes für freigekaufte politische Häftlinge und leitete die Referate Dokumentation und Publikation. Nach Auflösung dieses Ministeriums war er von 1990 bis zu seiner Pensionierung im Dezember 1994 Leiter des Referats „Deutschlandpolitische Bildung“ im Bundesinnenministerium, um von 1992 bis 1994 als Referent der CDU/CSU- Fraktion in der Enquete-Kommission des Bundestages „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ mitzuwirken.

Auch nach seiner Pensionierung setzte Gerhard Finn die Erfüllung seiner sich selbst gesetzten Aufgaben, ohne Rücksicht auf gesundheitliche Schwierigkeiten, fort : Seit 1994 als Mitglied des Häftlingsbeirats für das Speziallager Buchenwald bei der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, bis 1998 als dessen Vorsitzender. Weiterhin im Beirat der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Ebenfalls 1994 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden der UOKG – Union der Opferverbände kommunistischer Opferverbände e.V. gewählt, die er noch als Referatsleiter des Ministeriums betreut hat, seit Anfang 2002 als deren Ehrenvorsitzender. Neben seiner beruflichen Tätigkeit im Ministerium übte er zwischen 1975 und Mitte 1998 14 Jahre lang verschiedene Funktionen in der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge aus, 6 Jahre Vorstandsvorsitzender, 8 Jahre Mitglied und weitere 8 Jahre stellvertretendes Mitglied des Stiftungsrats; seit Mitte 2002 als Beisitzer im Bewilligungsausschuss.

Mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse wurde das Lebenswerk von Gerhard Finn gewürdigt, sein Wirken und die Hilfe für politische Häftlinge der kommunistischen Gewaltherrschaft. Die schlimmen Jahre in seiner Jugend haben sein Denken und Wollen geprägt. Er hat überlebt. Aber wie kein anderer seiner Generation mit diesen Erlebnissen hat er sich daraus seinen beruflichen Aufgaben gestellt:

Einmal war es die persönliche Hilfe für die Betroffenen, bis zum Mauerfall durch seine Mitwirkung beim Freikauf von Häftlingen aus der DDR und deren Betreuung im Westen, danach im Gesetzgebungsverfahren und der verwaltungsrechtlichen Umsetzung bei der Rehabilitation und sozialen Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts.

Zum anderen sah und verfolgte er eine politisch-historische Verpflichtung: Die Sammlung von Ereignissen und Erlebnissen der Opfer zu den Verbrechen der kommunistischen Gewaltherrschaft, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sein politisches Ziel war darauf gerichtet, diese Erkenntnisse für künftige Generationen fest- und damit wachzuhalten als Lehre und Mahnung, dass sich so etwas auf deutschem Boden niemals wiederhole. Das erschien ihm in der heutigen Zeit auch im Hinblick auf links- oder rechtradikale Strömungen besonders wichtig.

Diese Laudatio verbinde ich mit den Dank aller Häftlinge an Gerhard Finn für sein Lebenswerk, das ihnen gedient hat und als Mahnung bestehen bleibt.