Uta Windisch, Mitglied des Sächsischen Landtages (1994-2014) formulierte anlässlich der geplanten Veranstaltung mit Peter Hahne am 25. August 2024 auf dem Areal Hoheneck einen Offenen Brief an den Oberbürgermeister Schmidt und die Mitglieder des Stollberger Stadtrates.

Die von Ihnen genehmigte AfD-Veranstaltung am 25.8.2024 im Innenhof der Gedenkstätte der ehemaligen Frauenhaftanstalt Hoheneck erhitzt die Gemüter – zu Recht. Zunächst freue ich mich, in der Freien Presse nun lesen zu können, wer denn mit der Idee dazu auf Sie zugekommen ist. Als ich Sie vor einiger Zeit danach fragte, hatten Sie eine Gedächtnislücke und konnten Sie sich nicht erinnern. Inzwischen ist mir auch von einigen Ihrer Bürgermeisterkollegen zur Kenntnis gekommen, dass diese deswegen auch von der AfD angefragt, jedoch eine solche Veranstaltung nicht in ihrer jeweiligen Gemeinde wollten.
Dass die AfD einen anderen Ort als das Gedenkstätten-Areal avisiert hatte, und erst durch Sie auf Hoheneck verwiesen wurden, lässt bei mir einige Fragen aufkommen.
Mich würde zunächst interessieren, inwieweit der Stadtrat bei der Entscheidung involviert war und ob er dieser Veranstaltung, die jetzt überregional für Negativschlagzeilen für Stollberg sorgt, zugestimmt hat. Außer der Wählervereinigung teamSO hat sich zumindest öffentlich keine Fraktion geäußert.
Inwieweit tragen die Stadträte mit, dass durch Bedienstete der Stadt das Catering für eine Wahlkampfveranstaltung der AfD abgesichert wird: Wer trägt die Kosten dafür? Wer trägt die Kosten für das umfangreiche Sicherheitskonzept? Würde Stollberg diese Unterstützung und Dienstleistung auch anderen Parteien gewähren?
Erachtet die Stadt die Gegebenheiten rund um das Hoheneck–Areal sowohl verkehrsseitig bei An- und Abreiseverkehr als auch sicherheitstechnisch geeignet (Innenhof ist für 1000 Teilnehmer genehmigt, mehr als 2000 sollen erwartet werden), da ja nur ein Eingang und somit keine Fluchtmöglichkeit besteht, sollten Menschen nachdrängen und keinen Einlass mehr finden?
Ich werde das Gefühl nicht los, dass es dem OB inzwischen wie dem „Zauberlehrling“ geht und die Geister, die er rief, nicht mehr los wird.
Er hätte genug Zeit gehabt, sich im Vorfeld zu informieren, wem er ein Podium gibt und dass dies auf Kosten der Befindlichkeiten derer geschieht, die in diesem Areal gelitten haben, gestorben sind und Unfreiheit, Unterdrückung und Entrechtung am eigenen Leib erfahren haben. Deshalb stehe ich voll hinter den Wortmeldungen von Konstanze Helber, von Dr. Nancy Aris und den anderen Opferverbänden, die sich in Ihrer Empörung in den letzten Tagen auch an mich gewandt haben.
Freiheit ist ein hohes Gut, dafür bin auch ich auf die Straße gegangen, als Demokratin habe ich mich mit Herzblut seit 1990 für den Wiederaufbau Sachsens und meines Wahlkreises eingesetzt und in dieser Arbeit hat auch der Einsatz für die Gedenkstätte eine große Rolle gespielt. „Freiheit – dieser Begriff steht nie allein – sondern hat einen Zwilling, der heißt Verantwortung“ das ist ein Zitat von Kurt Biedenkopf, das ich nie vergesse.
Ja, Herr OB und verehrte Stadträte, in dieser Verantwortung dafür, was in welchem Ton und mit welchem Wahrheitsgehalt von der AfD und Herrn Hahne in Hoheneck „gepredigt“ wird, stehen auch Sie. Denn von einer Diskursveranstaltung kann man ja nicht sprechen, wenn es keine Gegenrede gibt und nur einer die Begriffe Frieden-Wahrheit-Freiheit dekliniert.
Und dann wäre ich beim „Gottesdienst“. Als aktive Christin schmerzt mich sehr, wie missbräuchlich dieser Begriff in diesem Zusammenhang verwendet wird. Von den Veranstaltern benutzt als Feigenblatt, um behördliche Auflagen nach dem Versammlungsgesetz zu umgehen, wird dann wohl aus dem „Evangelium nach Hahne“ gepredigt.
Einen Gottesdienst sehe ich als eine heilige Handlung, bei der das Lob Gottes und die Verkündigung der Frohen Botschaft im Mittelpunkt stehen. Es wäre ja wunderschön, wenn alle die, die zum „Gottesdienst“ nach Hoheneck pilgern werden, auch die Gottesdienste in ihren Gemeinden besuchen. Hahne selbst hat vor Jahrzehnten, als auch ich noch seine Bücher gelesen habe, geschrieben: „Was unser Land braucht, sind Mutmacher und keine Miesmacher“. Vielleicht sollte er sich selbst mal an seine Worte erinnern.

Als Reaktion auf die Kritik des AFD-Abgeordneten des Sächsischen Landtags, Ulrich Lupart, an den Äußerungen der Sächsischen Landesbeauftragten zu einer geplanten Veranstaltung im Hof der Gedenkstätte Stollberg – Frauenzuchthaus Hoheneck hat die Landesbeauftragte folgende Pressemitteilung verfasst.

Der AFD-Abgeordnete Ulrich Lupart warf der Sächsischen Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur am 13.08.2024 vor, ihr politisches Amt zu missbrauchen, „um den Ungeist der Zensur wieder zu verbreiten“ und „zum Jahrestag des Mauerbaus die Meinungsfreiheit einschränken zu wollen“, weil sie sich gegen den Auftritt von Peter Hahne in der Gedenkstätte Hoheneck ausgesprochen hatte.

Dazu erklärt Dr. Nancy Aris Folgendes: „Dass die AFD mir vorwirft, die Meinungsfreiheit einschränken zu wollen, verkennt den Kern meiner Ablehnung der Veranstaltung mit Peter Hahne. Meine Kritik an der von der Stadt Stollberg geplanten Großveranstaltung im ehemaligen Gefängnishof ist grundsätzlicher Natur.

Der Journalist Peter Hahne kann sprechen und unzufriedene Bauern sollen demonstrieren so oft sie wollen und so lange sie wollen. Ich bin ausdrücklich für freie Meinungsäußerung, so sie die Grenzen, die im Grundgesetz festgeschrieben sind, nicht verletzt.

Es gibt aber auch Rahmenbedingungen für Versammlungen. Diese sind für den Freistaat Sachsen im Sächsischen Versammlungsgesetz (SächsVersG) festgeschrieben. Das Versammlungsgesetz trägt historischen Orten in besonderer Weise Rechnung. § 15 legt fest, dass eine Versammlung verboten oder von bestimmten Beschränkungen abhängig gemacht werden kann. Nämlich dann, wenn diese an einem Ort von historisch herausragender Bedeutung stattfindet, der an Menschen erinnert, die unter nationalsozialistischer oder kommunistischer Gewaltherrschaft Opfer menschenunwürdiger Behandlung waren, die Widerstand gegen die nationalsozialistische oder kommunistische Gewaltherrschaft geleistet haben. Lassen Umstände erkennen, dass durch die Versammlung die Würde o. g. Opfergruppen beeinträchtigt wird, kann die Veranstaltung verboten oder beauflagt werden.

Hoheneck erfüllt alle im Gesetz definierten Punkte: das Gefängnis war im Nationalsozialismus und in der SBZ/DDR ein besonders grausamer Repressionsort. Hier wurden während der Nazi-Herrschaft Menschen zwangssterilisiert und ermordet, Gefangene starben an den katastrophalen Haftbedingungen, an Unterernährung, an Erschöpfung, an nicht behandelten Krankheiten. Bislang konnten insgesamt 170 Todesopfer ermittelt werden. Bis 1990 lagerten auf dem Dachboden der Haftanstalt 35 Urnen von eingeäscherten Frauen.

Hoheneck ist deshalb nicht nur eine Gedenkstätte, die über vergangenes Unrecht aufklärt. Das Areal ist auch ein Gedenkort für die Toten. Hier können Hinterbliebene ihrer Angehörigen gedenken und um sie trauern.

Die geplante Veranstaltung beeinträchtigt die Würde der Opfer erheblich. An mich haben sich Opferverbände und einzelne Betroffene gewandt und den würdelosen Umgang mit diesem Ort heftig beklagt. Sie fühlen sich in ihrer Würde verletzt und sehen sich mit ihrem Verfolgungsschicksal für andere politische Inhalte instrumentalisiert. Die Toten können ihre Stimme nicht mehr erheben.

Auch ich sehe eine Grenze überschritten. Die Veranstalter rechnen mit ca. 2000 Besuchern. Kein Mensch käme auf die Idee, zu einem Massenhappening auf einen Friedhof einzuladen, Grillwürstchen und Getränke anzubieten und die Besucher dazu zu animieren, Campingstühle mitzubringen. Der Gefängnishof war ein Ort des Schreckens. Hier wurden zu DDR-Zeiten Frauen gedrillt, mussten im Winter ohne Schuhe im Zickzack laufen. Er ist elementarer Bestandteil des Gedenkortes, der deshalb mit öffentlichen Fördermitteln in den ursprünglichen Zustand zurückgebaut wurde. Er ist keine Eventlocation.

Die Veranstaltung mit Peter Hahne als „Gottesdienst“ zu deklarieren hat offenbar nur den Zweck, die in § 15 des SächsVersG festgelegten Bestimmungen außer Kraft zu setzen, da diese laut § 16 nicht für Gottesdienste unter freiem Himmel gelten.

Doch es gibt so etwas wie Pietät, die jenseits der Paragraphen im Sächsischen Versammlungsgesetz zum moralischen Kompass eines Oberbürgermeisters gehören sollte. Grillwurststand und Getränkewagen direkt neben dem Gedenkstein platzieren zu wollen, spricht nicht dafür. Da fragt man sich, ob die bei der Eröffnung der Gedenkstätte präsentierte Ehrfurcht vor dem Ort und das Verneigen vor dem Schicksal der Frauen vom Oberbürgermeister wirklich ernst gemeint waren.“

Wie der WDR in seinem Lokalzeitfenster Ruhr berichtet, versuchten Dieter Dombrowski (Bundesvorsitzender der UOKG) und Peter Keup (Wissenschaftlicher Mitarbeiter der UOKG) am 18. Juli 2024, mit Vertretern der Konzernzentrale von ALDI Nord in Essen über deren Anteil an der Zwangsarbeit politischer DDR-Häftlinge zu sprechen. Dieser Anteil wird nach einem Forschungsprojekt der Berliner Humboldt Universität immer deutlicher sichtbar. So existieren Lieferscheine, die den Empfang von Strumpfhosen durch die „Firma Albrecht, Essen“ belegen, die im Zuchthaus Hoheneck hergestellt worden waren, noch für den Mai 1989 (siehe Beitragsbild). Nachdem mehrere Angebote seitens der UOKG abgewiesen oder mit Schweigen übergangen worden waren, erschienen nun die beiden UOKG-Vertreter, die im übrigen selbst Zwangsarbeit leisten mussten, vor der Konzernzentrale. Den angekündigten Besuch dokumentierte der WDR. Er endete an der Pforte. ALDI – derzeitiger Werbeslogan „GUTES FÜR ALLE“ – verweigerte ein Gespräch. Nun wird es wohl auf ein Protestcamp vor dem Tor des Konzerns hinauslaufen.

Bericht des WDR am 18. Juli 2024 Time: 00:00 bis 04:05
(bis Juli 2026 verfügbar)

Beitragsbild: Original im Sächsischen Staatsarchiv

Nun endlich nach 35 Jahren Friedlicher Revolution und Wiedervereinigung wurde am Ort des bekanntesten Frauengefängnisses der ehemaligen DDR auf Hoheneck in Stollberg/Erzgebirge die Gedenkstätte eröffnet.

Am 11. Juli 2024 fand die feierliche Eröffnung in Anwesenheit des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland Frank-Walter Steinmeier statt. Nach einer Kranzniederlegung am Gedenkstein und einer einfühlsamen und bewegenden Gedenkrede von Konstanze Helber, Vorsitzende des Frauenforums, wurde der Bundespräsident von ehemaligen politisch-inhaftierten Frauen durch das Zellenhaus im Südflügel geführt. Am fast authentischen Ort berichteten sie von ihren schrecklichen Erlebnissen, die sie hinter den Gefängnismauern ertragen mussten. Anschließend besichtigten sie die dazugehörige Dauerausstellung im Westflügel. Der Kurator Prof. Dr. Stefan Appelius kam im Sommer 2021 nach Stollberg und widmete sich seitdem der inhaltlichen Gestaltung der Dauerausstellung. Trotz zahlreicher Hemmnisse hat er die umfassende Geschichte des Areals, insbesondere des DDR-Frauengefängnisses erarbeitet. Dabei betonte er, dass die Forschungen weitergeführt werden.

Die Rede des Bundespräsidenten während der Feierstunde war sehr bemerkenswert und zeigte den betroffenen Damen wie tief das Schicksal dieser zahlreichen Unschuldigen ihn bewegte.

Das sich anschließende Podium mit der SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke verdeutlichte den Weg der Frauen nach und die Zeit der Entbehrungen auf Hoheneck am Beispiel der Vorsitzenden der zwei Frauenvereine, die sich maßgeblich für die Errichtung der Gedenkstätte eingesetzt haben.

Den ganzen Tag fanden für geladene Gäste Führungen durch das Zellenhaus und die Dauerausstellung statt. Ein Großteil der Gäste waren Frauen, die aus politischen Gründen zu DDR-Zeiten in Hoheneck inhaftiert waren. Für sie war es ein sehr emotionaler Besuch. Die Wiederkehr an den Ort, an dem ihnen Unmenschliches widerfuhr, belastete nicht wenige. Aber sie trafen auch Haftkameradinnen nach Jahrzehnten wieder, und ergänzten ihre eigenen Erinnerungen mithilfe der Geschichten der anderen.

Am 12. Juli 2024 konnten alle Interessierten das Gelände ohne jegliche Sicherheitsmaßnahmen besichtigen. Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke nahm sich auch am zweiten Tag die Zeit, um sich in persönlichen Gesprächen mit den betroffenen Frauen auszutauschen und Impulse für ihre wichtige Arbeit mitzunehmen.

Auch an diesem Tag fanden ganztägig gut besuchte Führungen durch die Dauerausstellung und das Zellenhaus statt. Erschöpft von den Eindrücken und der vorherrschenden Hitze wirkte das kräftige Gewitter am Nachmittag angenehm erfrischend.

Wir hoffen, dass alle Damen wieder gut zu Hause angekommen sind. Vielfach sicher beseelt, da es nun endlich eine Gedenkstätte an diesem Ort der Repression gibt, die ihr persönliches Leid in den vielen verlorenen Jahren widerspiegelt.

Gedenkrede zur Kranzniederlegung am 11. Juli 2024 von K. Helber

Film zur Eröffnung der Gedenkstätte Hoheneck

Bericht von Sven Felix Kellerhoff am 26. Juli 2024 in der „Welt“

Bericht des Stollberger Stadtanzeigers Nr. 7 vom 27. Juli 2024

Unter dem Titel „Das Schweigen brechen“ fand vom 6. bis 8. August 2021 in Stollberg (Sachsen) der erste Bundeskongress politisch verfolgter Frauen in der SBZ/DDR-Diktatur statt. 110 Teilnehmerinnen fanden sich zum Kongress ein. Weitere folgten dem Kongress über einen Live-Stream, der auch jetzt noch nachzusehen ist. (Klick) Der zweite Kongress ist für 2023 geplant. Die Resolution des Kongresses mit den Forderungen der Frauen, die der Opferbeauftragten Evelyn Zupke übergeben wurde, wird in Kürze hier veröffentlicht.

Sehen Sie inzwischen die Kongressbeiträge auf YouTube.

Frauenkongress Hoheneck – Bürgergarten Stollberg, 6. – 8. August 2021