21 Aug Offener Brief von Uta Windisch an Stollberger Oberbürgermeister und Stadtrat
Uta Windisch, Mitglied des Sächsischen Landtages (1994-2014) formulierte anlässlich der geplanten Veranstaltung mit Peter Hahne am 25. August 2024 auf dem Areal Hoheneck einen Offenen Brief an den Oberbürgermeister Schmidt und die Mitglieder des Stollberger Stadtrates.
Die von Ihnen genehmigte AfD-Veranstaltung am 25.8.2024 im Innenhof der Gedenkstätte der ehemaligen Frauenhaftanstalt Hoheneck erhitzt die Gemüter – zu Recht. Zunächst freue ich mich, in der Freien Presse nun lesen zu können, wer denn mit der Idee dazu auf Sie zugekommen ist. Als ich Sie vor einiger Zeit danach fragte, hatten Sie eine Gedächtnislücke und konnten Sie sich nicht erinnern. Inzwischen ist mir auch von einigen Ihrer Bürgermeisterkollegen zur Kenntnis gekommen, dass diese deswegen auch von der AfD angefragt, jedoch eine solche Veranstaltung nicht in ihrer jeweiligen Gemeinde wollten.
Dass die AfD einen anderen Ort als das Gedenkstätten-Areal avisiert hatte, und erst durch Sie auf Hoheneck verwiesen wurden, lässt bei mir einige Fragen aufkommen.
Mich würde zunächst interessieren, inwieweit der Stadtrat bei der Entscheidung involviert war und ob er dieser Veranstaltung, die jetzt überregional für Negativschlagzeilen für Stollberg sorgt, zugestimmt hat. Außer der Wählervereinigung teamSO hat sich zumindest öffentlich keine Fraktion geäußert.
Inwieweit tragen die Stadträte mit, dass durch Bedienstete der Stadt das Catering für eine Wahlkampfveranstaltung der AfD abgesichert wird: Wer trägt die Kosten dafür? Wer trägt die Kosten für das umfangreiche Sicherheitskonzept? Würde Stollberg diese Unterstützung und Dienstleistung auch anderen Parteien gewähren?
Erachtet die Stadt die Gegebenheiten rund um das Hoheneck–Areal sowohl verkehrsseitig bei An- und Abreiseverkehr als auch sicherheitstechnisch geeignet (Innenhof ist für 1000 Teilnehmer genehmigt, mehr als 2000 sollen erwartet werden), da ja nur ein Eingang und somit keine Fluchtmöglichkeit besteht, sollten Menschen nachdrängen und keinen Einlass mehr finden?
Ich werde das Gefühl nicht los, dass es dem OB inzwischen wie dem „Zauberlehrling“ geht und die Geister, die er rief, nicht mehr los wird.
Er hätte genug Zeit gehabt, sich im Vorfeld zu informieren, wem er ein Podium gibt und dass dies auf Kosten der Befindlichkeiten derer geschieht, die in diesem Areal gelitten haben, gestorben sind und Unfreiheit, Unterdrückung und Entrechtung am eigenen Leib erfahren haben. Deshalb stehe ich voll hinter den Wortmeldungen von Konstanze Helber, von Dr. Nancy Aris und den anderen Opferverbänden, die sich in Ihrer Empörung in den letzten Tagen auch an mich gewandt haben.
Freiheit ist ein hohes Gut, dafür bin auch ich auf die Straße gegangen, als Demokratin habe ich mich mit Herzblut seit 1990 für den Wiederaufbau Sachsens und meines Wahlkreises eingesetzt und in dieser Arbeit hat auch der Einsatz für die Gedenkstätte eine große Rolle gespielt. „Freiheit – dieser Begriff steht nie allein – sondern hat einen Zwilling, der heißt Verantwortung“ das ist ein Zitat von Kurt Biedenkopf, das ich nie vergesse.
Ja, Herr OB und verehrte Stadträte, in dieser Verantwortung dafür, was in welchem Ton und mit welchem Wahrheitsgehalt von der AfD und Herrn Hahne in Hoheneck „gepredigt“ wird, stehen auch Sie. Denn von einer Diskursveranstaltung kann man ja nicht sprechen, wenn es keine Gegenrede gibt und nur einer die Begriffe Frieden-Wahrheit-Freiheit dekliniert.
Und dann wäre ich beim „Gottesdienst“. Als aktive Christin schmerzt mich sehr, wie missbräuchlich dieser Begriff in diesem Zusammenhang verwendet wird. Von den Veranstaltern benutzt als Feigenblatt, um behördliche Auflagen nach dem Versammlungsgesetz zu umgehen, wird dann wohl aus dem „Evangelium nach Hahne“ gepredigt.
Einen Gottesdienst sehe ich als eine heilige Handlung, bei der das Lob Gottes und die Verkündigung der Frohen Botschaft im Mittelpunkt stehen. Es wäre ja wunderschön, wenn alle die, die zum „Gottesdienst“ nach Hoheneck pilgern werden, auch die Gottesdienste in ihren Gemeinden besuchen. Hahne selbst hat vor Jahrzehnten, als auch ich noch seine Bücher gelesen habe, geschrieben: „Was unser Land braucht, sind Mutmacher und keine Miesmacher“. Vielleicht sollte er sich selbst mal an seine Worte erinnern.