Zwangsaussiedlungen aus dem Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze
Der 26. Mai 1952 ist ein bedeutender Tag auf dem Weg zur deutschen Teilung: in Bonn wurde der Deutschlandvertrag unterzeichnet, und unmittelbar darauf beschloss der DDR-Ministerrat eine Verordnung über Maßnahmen an der innerdeutschen Grenze, wo u. a. eine 5-km-Sperrzone eingerichtet wurde. Die Verordnung wurde benutzt, um daraus politisch unbequeme Menschen auszuweisen. Diese „Zwangsaussiedlungen“ erfolgten überwiegend in zwei Aktionen 1952 und 1961.
Bis Mitte Juni 1952 wurden, statistisch verteilt auf den ganzen Ort im Sperrgebiet, etwa 2350 Familien (ca. 8.000 Personen, =2,4% der Bewohner) mit Waffengewalt aus ihrer Heimat vertrieben und im Hinterland zwangsweise angesiedelt. In Thüringen schrieb der Ministerpräsident in Sütterlin zynisch von einer „Beseitigung des Ungeziefers“. Am 3. Oktober 1961 erfolgte eine weitere Aktion mit über 3.400 Betroffenen.
Von beiden, binnen Stunden beendeten Aktionen waren einflussreiche Bürger betroffen, meist alteingesessene Selbständige – sowohl Grundeigentümer als auch Wohnungsmieter. Sie wurden kriminalisiert, diskreditiert und waren jahrelangen Bespitzelungen, Repressionen, Restriktionen ausgesetzt – ein ermittelnder Staatsanwalt hat dies als „staatlich organisierte Zersetzung“ bezeichnet. Um den Schein einer Rechtmäßigkeit zu wahren, wurden enteignete Grundeigentümer entschädigt – anders als bei Fällen von politischer Strafjustiz.
Die Verarbeitung des Traumas war für die Betroffenen infolge vieler ungünstiger Faktoren extrem schwierig, z. B. konnten sie nicht darüber sprechen, weil ihnen niemand geglaubt hätte, was die DDR ihnen sieben bzw. 16 Jahre nach Kriegsende angetan hatte.
Entwicklung nach 1990
Natürlich forderten die Betroffenen Rehabilitierung und Entschädigung. Die Bundesregierung antwortete zunächst, die Vertreibung sei rechtmäßig, nämlich auf der Grundlage der Verordnung vom 26. Mai 1952 erfolgt. Daran war aber die DDR-Volkskammer nicht beteiligt, außerdem verstieß die Vertreibung gegen die geltende Verfassung.
Noch 1989 wurde von der DDR das „Gesetz zur Regelung für offene Vermögensfragen“ (VermG) in Kraft gesetzt. Es war aber für „teilungsbedingte“ Vermögensverluste, also entschädigungslose Enteignungen, gedacht. Den politisch verfolgten Zwangsausgesiedelten, die ja eine Entschädigung bekommen hatten, blieb der direkte Zugang verwehrt – mit fatalen Folgen durch den Zeitverzug.
Betroffenen, die eine Rückgabe forderten, schrieb die Bundesregierung, die Enteignung sei zu Recht, nämlich auf Grundlage des DDR-Verteidigungsgesetzes erfolgt. Doch das traf nicht zu, denn die Wohnungen und Häuser der Betroffenen wurden anschließend wieder ganz normal bewohnt und nicht pioniertechnisch genutzt.
Erst 1994 trat das „2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz“ in Kraft, durch das als einzige Gruppe die Zwangsausgesiedelten nach erfolgter Rehabilitation die Restitution beantragen konnte. Das Gesetz regelt außerdem einen Ausgleich für verfolgungsbedingte berufliche und gesundheitliche Nachteile. Doch davon konnten nur ganz wenige Zwangsausgesiedelte Gebrauch machen (1%).
Noch 2021 kam eine Dokumentation des MDR ins Fernsehen, in der ein ehemaliger, in Sachsen-Anhalt an beiden Aktionen beteiligter Volkspolizist zwei Mal sagt, Unschuldige seien von beiden Aktionen nicht betroffen gewesen. Um so trauriger ist es, dass die Bundesregierung die Forderung nach einer finanziellen Entschädigung für jeden Betroffenen als Zeichen der Wiedergutmachung und der gesellschaftlichen Anerkennung ihres Leids bis 2024 immer wieder abgelehnt hat.
Erst am 30. Januar 2025 beschloss der DBT, den Zwangsausgesiedelten eine einmalige Zuwendung in Höhe von 7.500 € zu gewähren. Die wenigen noch Lebenden haben das mit Genugtuung aufgenommen. Das Gesetz trat am 1. Juli 2025 in Kraft und sieht außerdem einen Ausgleich für psychische Gesundheitsschäden vor, dabei wird die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs vermutet, d. h. auf eine Begutachtung verzichtet. In einer Durchführungsverordnung werden in Frage kommende Schäden aufgelistet.
Inge Bennewitz
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Beitragsbild: Thomas Rauscher