Gedenkfahrt zum NKWD-Lager Nr. 2 Toszek in Polen

Vom 9. bis 11. Mai 2025 veranstaltete Sybille Krägel wieder eine Gedenkfahrt nach Toszek – dem Ort in Polen, an dem 1945 im sowjetischen NKWD-Lager Nr. 2 Tost innerhalb kurzer Zeit über 3000 Internierte durch Entkräftung, Misshandlung oder Krankheit starben und anschließend in Massengräbern verscharrt wurden. Als Sybille Krägel 1993 zum ersten Mal mit einigen Ehemaligen nach Toszek kam, war ihr Plan, zunächst nur den letzten Ort ihres Vaters zu „erleben“, der 1945 im Lager umkam. Während des Rundgangs in der Psychiatrischen Klinik Toszek entschied sie spontan, sich zur Aufgabe zu machen, die Geschehnisse im Lager aufzuarbeiten und die Namen seiner Haftkameraden ausfindig zu machen. Seitdem organisiert sie regelmäßig Fahrten zur Gedenkstätte für Hinterbliebene und Geschichtsinteressierte. Nach den vielen Besuchen in den letzten Jahren fühlt sich Sybille Krägel in Toszek schon fast wie zu Hause und auch die Besucher werden stets sehr herzlich empfangen.

Am 9. Mai machte die Reisegruppe nach mehrstündiger Busfahrt von Dresden zuerst Halt am Bahnhof von Strzelce Opolskie (Groß Strehlitz), wo seinerzeit die Deportationszüge mit den Gefangenen aus dem „Gelben Elend” von Bautzen nach tagelanger Fahrt endeten. Die völlig erschöpften Menschen mussten damals von dort noch fast 20 km bei glühender Hitze nach Toszek laufen. Die Angereisten wurden mit Kaffee und Kuchen freundlich von Mitgliedern des Deutschen Freundschaftskreises (DFK) Tost und Groß Strehlitz empfangen. Ein wohltuender Auftakt mit interessanten Gesprächen.

Der nächste Halt war die Gedenkstätte in Toszek. Hier war der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. (VDK) vor Ort und führte die seit letztem Jahr geplanten Grabungen durch. Im November 2024 wurden durch den VDK bereits aufwendige Bodensondierungen auf dem Gelände durchgeführt, die jedoch im Nachhinein kaum auswertbare Ergebnisse brachten. Artur Berger vom VDK beantwortete die zahlreiche Fragen der Anwesenden. Bereits am Tag zuvor hatte der VDK ohne Ergebnisse entlang der Mauer zum jüdischen Friedhof gegraben. Die Bodenarbeiten wurden nun mit schwerem Gerät unterhalb des Hangs der Gedenkstätte fortgesetzt. In einer Tiefe von 2 Metern stieß das Grabungsteam auf Flaschen von Brauereien aus Schlesien, die nur bis 1945 existierten. Vermutet wird, dass Arbeiter der Sandgrube die Flaschen während der Arbeit weggeworfen haben. Mithilfe dieser Infos kann der VDK die Lage der ehemaligen Sandgrube, in der die Toten des NKWD-Lagers Tost verscharrt wurden, nun besser eingrenzen.
Leider konnte auch diesmal die Grablage nicht final lokalisiert werden, aber man ist sich nun sicher, dass die ehemalige Sandgrube viel weiter auf das Gelände der dort ansässigen Firma „Terminal Toszek” reicht. Die UOKG bemüht sich jetzt gemeinsam mit ihren polnischen Partnern, eine Genehmigung für Grabungen auf dem Gelände der Firma zu erwirken.

Nach diesen spannenden Teil erlebten die Teilnehmer einen emotionalen ökumenischen und zweisprachigen Gedenkgottesdienst in der hübschen Barbara-Kapelle in Toszek unter Mitwirkung des Chores „Con Colore“ und der Abend klang harmonisch im Restaurant des Hotels in Łabędy (Laband) aus.

Am 10. Mai erfolgte zunächst ein Besuch des Andachtsraums der Psychiatrischen Klinik Toszek, der 1945 als Schlafraum für über 250 Häftlinge dienen musste. Sybille Krägel erzählte eindringlich von den grauenhaften Zuständen im Lager, die in den vergangenen Jahren von ehemaligen Inhaftierten in Zeitzeugenberichten festgehalten wurden. Anschließend fand die offizielle Feier an der Gedenkstätte in Toszek statt, moderiert von Dorothea Matheja vom DFK Tost. Es sprachen Piotr Kunce, 2. Bürgermeister von Toszek; der Konsul Peter Herr vom Deutschen Konsulat Opole; Dr. Nancy Aris, die Sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur; Bernard Gaida, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten in Polen; Dieter Dombrowski, Bundesvorsitzender der UOKG; Rafał Bartek, Vorstand des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen und Sybille Krägel von den Initiativgruppe NKWD-Lager Tost 1945. Wie immer war auch die Blaskapelle aus Toszek dabei, die zum Abschluss das Lied „’s is Feierobnd“ zu Ehren der vielen Erzgebirgler spielte, die im Lager umkamen.

Nach einem festlichen Mittagessen und einigen tollen kulturellen Darbietungen auf der Burg Toszek, die vom DFK Tost organisiert wurden, war die gedämpfte Stimmung wieder etwas aufgehellt und es gab einen lebhaften Austausch zwischen den angereisten Deutschen und den Menschen vor Ort. Auf dem Heimweg am 11. Mai wurde als weiteres kulturelles Highlight der Region das wunderschöne Zamek Moszna (Schloss Moschen) besichtigt, bevor es mit dem Bus wieder auf den langen Weg nach Dresden ging.

Sybille Krägel möchte sich auf diesem Wege sehr bei allen Mitreisenden bedanken, die sie mit einer Ehrenurkunde und Anerkennung bedachten. Besonderer Dank geht auch an die Stadt Toszek für die Verleihung der Ehrenbürgerschaft! Danke, dziękuję bardzo! Sybille verspricht außerdem, dass sie nicht plant, so bald in Tost-Rente zu gehen!

Dank geht ebenfalls an die Sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die die Gedenkfahrt durch eine Förderung möglich gemacht hat. Wir haben für Sie einige Impressionen der Reise in einer Bildergalerie und einem Film festgehalten. Der Film folgt in Kürze!

Text: Sybille Krägel, Sandra Czech, Text & Fotos:Sebastian Sachse