04. Apr. Neuer Dokumentarfilm „The Spies Among Us – Die Spione unter uns“
Dokumentarfilme, die Interviews zwischen Betroffenen von Zersetzung und Repression durch die Staatssicherheit der DDR und den Tätern beinhalten, sind eine Rarität. Bereits kurz nach der Wende konfrontierte die Regisseurin Sybille Schönemann, die 1984 aus politischen Gründen in Hohenleuben einsaß, in ihrem Film „Verriegelte Zeit“ ihre ehemaligen Peiniger, ja, überrumpelte sie geradezu mit ihren direkten Fragen. Späteren Versuchen, mit Stasi-Mitarbeitern über ihre Arbeit ins Gespräch zu kommen, war meist kein Erfolg mehr beschieden – die Täter hatten sich ihre Rechtfertigungen bereits zurechtgelegt – oder schwiegen.
Mit „The Spies Among Us – Die Spione unter uns“ gibt es nun eine neue Dokumentation in Spielfilmlänge, die versucht, damalige Betroffene und MfS-Mitarbeiter gegenüberzustellen. Erzählt wird die Geschichte von Peter Keup und seinen Bemühungen, die stummen, aber drängenden Fragezeichen in seiner Familiengeschichte aufzuklären: In der DDR der 70er mit seiner Schwester zusammen erfolgreicher Turniertänzer im Nationalteam, wird er 1981 beim Durchschwimmen der Donau nach Österreich verhaftet und sitzt wegen Republikflucht bis zum Freikauf durch die Bundesrepublik in Cottbus im Knast. Im Westen kann er endlich frei seiner Passion nachgehen und führt in Dinslaken 25 Jahre lang eine Tanzschule.
Doch die Geschehnisse in seiner Jugend lassen ihn nicht los. Peter Keup studiert Politik und Geschichte und arbeitet seit einem Jahr als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team der UOKG. Von hier, der ehemaligen Trutzburg des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR in Berlin Lichtenberg, versucht er hartnäckig, mehr Licht in das perfide System der Haft-Zwangsarbeit des SED-Unrechtsstaates und die daraus folgenden Konsequenzen für die in der DDR lebenden Menschen zu bringen.
Der Film, produziert von SideXSide Studios aus Washington D.C., wirft einen der seltenen Blicke in die inneren Abläufe des totalen Überwachungsstaates DDR, der mit der Staatssicherheit ein gefürchtetes und effizientes Instrument zur Unterdrückung und Zersetzung missliebiger Mitbürger betrieb.
Bereits 2013 nach einem Besuch bei einem kulturellen Austausch in Berlin kam den ProduzentInnen und RegisseurInnen Jamie und Gabriel Silverman die Idee, einen Film über die unvorhersehbaren persönlichen Implikationen zu machen, die der Fall der Mauer in Gang gesetzt hat.
Sie waren „fasziniert von der Vorstellung, dass die Staatssicherheit Milliarden Mark und enorme menschliche Ressourcen aufgewendet hat, um die gleichen Daten zu erfassen, die wir heute aus Bequemlichkeit preisgeben, ohne wirklich die langfristigen Folgen zu verstehen. Wir haben lange über diese Idee nachgedacht, und 2019 haben wir das Projekt dann tatsächlich ernsthaft gestartet.“
„The Spies Among Us“ hatte im März Weltpremiere beim SouthBySouthWest-Festival (SXSW) in Austin/Texas. Es ist der zweite Dokumentarfilm des Silverman-Duos in Spielfilmlänge – ihr erster Film „Transmilitary“ gewann 2018 den Publikumspreis für den besten Dokumentarfilm beim SXSW und erhielt großes Kritikerlob.
Das Filmteam Silverman und Peter Keup waren bei der Premiere auf dem SXSW-Festival anwesend und führten anschließend eine Podiumsdiskussion unter der Überschrift „Datenüberwachung und Taktiken des Kalten Krieges in der heutigen Welt“.
Der Film hat derzeit noch keinen Verleih in Deutschland und ist daher noch nicht zu sehen. Wir werden an dieser Stelle weiter berichten.
Das englische Online-Magazin Indiewire hat den Film rezensiert (deutsche Übersetzung via Google).
Fotos: Peter Keup, SideXSide Studios