Seit vier Jahren hat die UOKG immer wieder gefordert, den sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen Heimen und Familien der DDR zu untersuchen. Betroffene hatten immer wieder berichtet, dass es in Spezialheimen und Jugendwerkhöfen zu sexuellen Übergriffen gekommen war.

Im Herbst letzten Jahres erhielt die UOKG den Auftrag, diese absolut weißen Flecken in der Geschichte der SED-Diktatur zu untersuchen. Bis dahin gab es eine große Zahl an Untersuchungen über die alte Bundesrepublik, aber keine einzige über sexuellen Missbrauch in der SED-Diktatur.

Die Expertise wurde am 11. Oktober auf dem 2. Hearing der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs von den Autoren vorgestellt. Dr. Christian Sachse (UOKG) berichtete über aufgefundene Dokumente und unveröffentlichte Statistiken, Benjamin Baumgart (UOKG) über den juristischen Umgang und Stefanie Knorr (Gegenwind) über die psychischen Folgeschäden.

Nur ein Bruchteil der Missbräuche wurde überhaupt bekannt. Interne Zahlen belegen aber, dass es zwischen 1960 und 1989 84.000 Anzeigen wegen sexuellen Kindesmissbrauchs gegeben hat. Die Dunkelziffer lag allerdings viel höher. Nur jeder 7. Fall wurde angezeigt. So müssen wir davon ausgehen, dass es in den genannten Jahren mehr als eine halbe Million Missbrauchsfälle gegeben hat.

Dass die DDR ihr selbstgepflegtes Image einer lückenlos „sauberen sozialistischen Moral“ nicht ankratzen wollte, und daher Informationen unterdrückte, wo sie nur konnte, erscheint aus der Perspektive der kommunistischen Diktatur allzu logisch. Warum aber fast dreißig Jahre nach dem Ende der DDR vergehen mussten, ehe sich die heutige Demokratie dieser Frag annahm, ist nicht erklärbar. Es ist auch nicht entschuldbar. Es ist peinlich.

In seinem Vorwort zur Untersuchung schreibt Dieter Dombrowski: „Die UOKG, deren Aufgabe in der Vertretung der Opfer in Politik und Öffentlichkeit besteht, begrüßt dieses Projekt als einen Beginn der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Osten
Deutschlands, der in den westlichen Bundesländern bereits viel weiter fortgeschritten ist. Vor allem im Namen der Opfer, die ihr Schicksal bis heute zu tragen haben, ist eine möglichst weitgehende Aufklärung geboten. Nur so sind spezifizierte Angebote zur Therapie und Lebenshilfe möglich, die den Betroffenen weiterhelfen.“

Titel:
Dr. Christian Sachse, Stefanie Knorr, Benjamin Baumgart:
Expertise. Historische, rechtliche und psychologische Hintergründe des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen in der DDR.
Hrsg.: Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
Berlin, Leipzig 11. Oktober 2017

Die Expertise kann hier heruntergeladen werden:

https://www.aufarbeitungskommission.de/wp-content/uploads/2017/10/Expertise-DDR_online.pdf

Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) zur Diskussion um die/den Ostbeauftragten der Bundesregierung

Zur Diskussion um die zukünftige Wahrnehmung der Aufgaben des Ostbeauftragten der Bundesregierung erklärt der Bundesvorsitzende der UOKG Dieter Dombrowski:
Eine Stärkung des Amtes der Ostbeauftragten der Bundesregierung wäre wünschenswert. Die besonderen Belange der Ostdeutschen spielen in der praktischen Politik faktisch keine Rolle mehr. Hunderttausende von SED-Opfern fühlen sich im wiedervereinigten Deutschland nur noch als lästige Nörgler wahrgenommen. Zu einer sachlichen Erörterung von Gerechtigkeitsfragen zwischen SED-Opfern und der Politik kommt es kaum noch. Große Teile der ehemaligen SED-Opfer haben sich von der Politik abgewandt und gehören zu den Protestwählern. Das ist bitter, so Dombrowski, aber vor allem unnötig. Eine Stärkung der Aufgaben des/der Ostbeauftragten der Bundesregierung  wäre dringend geboten.