Initiativgruppe NKWD-Lager Tost/Oberschlesien 1945

Das NKWD-Lager Tost trug die offizielle Bezeichnung „Gefängnis-Lager des sowjetischen NKWD“. Es befand sich in der Stadt Tost (Toszek) in Oberschlesien (Polen). Tost liegt ca. 50 km südlich von Oppeln (150 km südl. von Breslau). Die Stadt hat heute etwa 3.500 Einwohner.

Bereits im Januar 1945 wurde Schlesien von der Roten Armee besetzt und im Sommer 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht gemäß dem Potsdamer Abkommen vorläufig unter polnische Verwaltung gestellt. Ein Teil der deutschen Bevölkerung wurde in der Folgezeit von der örtlichen polnischen Verwaltungsbehörde vertrieben, es verblieb jedoch bis heute eine aktive deutsche Minderheit, die größtenteils auch wieder im Besitz deutscher Pässe ist.

 

Das Lager

Der Gebäudekomplex des Lagers wurde 1884 als „Provinziales Arbeitshaus für Arbeitsscheue“ errichtet für 500 „Insassen“. Ab 1890 wurden hier bis 1940 jeweils bis zu 500 „Geisteskranke“ untergebracht, die mit Kriegsbeginn in meist sächsische sog. „Irrenanstalten“ verbracht wurden. Dann wurden hier etwa 750 canadische und britische Offiziere interniert, zusammen mit 250 Juden.

Im Mai 1945 wurde die Psychiatrie von Tost vom NKWD zum „Gefängnis-Lager“ umfunktioniert. Zunächst wurden etwa 1.000 Oberschlesier und Breslauer hier eingepfercht, ab Juli 1945 kamen drei Viehwaggontransporte mit Häftlingen aus dem GELBEN ELEND in Bautzen hinzu mit 3.700 zivilen Häftlingen. Die Transporte dauerten für die Strecke von 450 km zwischen 5-7 Tagen bei mangelhafter Verpflegung, glühender Hitze, so dass bereits unterwegs Verstorbene namenlos an Haltepunkten am Bahndamm vergraben wurden.

Von Mai bis etwa Mitte Dezember 1945 nutzte der NKWD die Gebäude für die Unterbringung von knapp 4.500 deutschen Zivilisten. Es soll etwa 30 Frauen im Lager gegeben haben, einige standen auf den Transportlisten, alle überlebten. 15 sind jedoch nur namentlich bekannt. Etwa 60 Jugendliche zwischen 14-22 Jahren konnten ermittelt werden. Die Häftlinge wurden seinerzeit in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und dem Sudetenland verhaftet sowie in Schlesien.

Tost war ein grausames Zwangsarbeiterlager, wo die Häftlinge meist ohne Gerät – mit den Händen zur Ernte auf den verlassenen Domänen und zur Waldarbeit eingesetzt wurden. Die Bewacher gingen hier besonders grausam mit den Häftlingen um, die für diese schwere Arbeit völlig unzureichend ernährt wurden. Donnerstags gab es die wöchentliche Schnapsration für die Bewacher, das waren Tage, die die Häftlinge besonders fürchteten. Man zwang u.a. Häftlinge  – im Suff – dazu, lebende Mäuse und Frösche zu verschlucken, hieran kamen viele Häftlinge um. Normal waren auch fürchterliche Schläge bis zum Tod.

Zwischen Juni und Dezember starben über 3.000 Männer. Diejenigen die im Lager starben, kamen in Massengräber am Rande von Tost. Andere, die während der Außenarbeit umkamen, wurden an Ort und Stelle notdürftig vergraben. Die genaue Lage der Massengräber ist immer noch nicht bekannt.

Das Lager Tost wurde im November/Dezember 1945 wieder aufgelöst, die einigermaßen 800 Transportfähigen gingen auf Transport nach Graudenz/Westpreußen und von dort vier Wochen später nach FÜNFEICHEN. Etwa 800 überlebenden Fast-Leichen wurden mit ein wenig Verpflegung ohne Transportmöglichkeit nach Hause entlassen.  Viele kippten schon vor dem Gefängnistor auf der Straße um – sie wurden von den Einwohnern in Tost gepflegt, bis sie starben. Wer den Heimweg nicht mehr schaffte, wird wohl nie mehr zu ermitteln sein.

 

Aufarbeiten und Gedenken

Seit 1993 ist Sybille Krägel, deren Vater Hans-Werner Rasmussen, 39 Jahre aus Hainichen/Sachsen in diesem Lager umkam, zunächst zusammen mit einem ehemaligen Häftling – damals Jugendlicher – dabei, Personendaten und Berichte zu archivieren. Bis heute befinden sich 4.560 Personen-Angaben in ihrer elektronischen Datenbank.

Vom SUCHDIENST des DRK bekam Sybille Krägel in 1996 die Transportlisten mit den 3.654 Namen – auf Russisch. Die Namen waren teilweise sehr nachlässig aufgeschrieben, dennoch ist es ihr gelungen, fast 80% wieder einzudeutschen.

Der SUCHDIENST überließ ebenfalls eine Abschrift der in Tost heimlich geführten und ebenso heimlich aus dem Lager geschmuggelten Sterbeliste mit 1.304 Namen. Noch im Jahr 2017 konnten Angehörige mit wenigstens einem Sterbedatum des Vaters/Großvaters etwas getröstet werden. Es gibt jedoch noch immer ca. 500 sehr unvollständige Daten, die auf Ergänzung durch Familienangehörige oder Freunde warten.

Im Jahr 1998 konnte mit finanzieller Hilfe der STIFTUNG ZUR AUFARBEITUNG DER SED-DIKTATUR sowie großer Unterstützung des Verlegers W. Bode, dessen Vater ebenfalls in Tost umkam, eine kleine Foto-Dokumentation TOST – Neuauflage in 2001 – erstellt werden, in der Dokumente, Berichte, Fotos sowie Personendaten zu finden sind. Das Buch ist leider ausverkauft.

Seit 1993 finden regelmäßig Busreisen im Mai von Sachsen aus für Gedenkfeiern an der in 1998 errichteten Gedenkstätte in Tost statt. Die Gedenkfeiern werden in Zusammenarbeit mit dem sehr aktiven DEUTSCHEN FREUNDSCHAFTSKREIS TOST organisiert. Von der Stadtverwaltung mit Bürgermeister Grzegorz Kupczyk sowie dem deutschen Konsulat Oppeln bekommen wir große Unterstützung. Auch beteiligte sich finanziell erstmalig für die Gedenkfeier im Mai 2017 der „Sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“.

Kontakt

Postadresse:
Initiativgruppe NKWD-Lager Tost/Oberschlesien
Sybille Krägel
Krefelder Weg 14
22419 Hamburg

Telefon: 040 533 20 599

Bilder

Links: Am Gedenkstein in Tost
Rechts: Gebäude des Lagers, das sog. Lazarett, das nur sehr wenige wieder lebendig verließen. Pfleger und drei deutsche Häftlingsärzte führten heimlich die Sterbelisten, die aus dem Lager herausgeschmuggelt werden konnten.