19. Juni Ein Denkmal der Schande: Warum Lenin in Schwerin längst verschwunden sein sollte
von Andre Rohloff (gekürzt)
Am 14. Juni 2025 versammelten sich zahlreiche Demonstranten in Schwerin zu einer Mahnkundgebung am Lenin-Denkmal am Großen Dreesch. Die Veranstaltung wurde organisiert von der UOKG e.V. und der Lagergemeinschaft Workuta/GULag Sowjetunion. Unter dem Motto „40 Jahre Lenin in Schwerin sind genug!“ wurde ein deutliches Zeichen gesetzt, um auf die problematische Verklärung Lenins und seiner Taten aufmerksam zu machen. Das Lenin-Denkmal wurde mit einem roten Tuch verhüllt, symbolisch für das viele Blut, das im Namen der Kommunisten vergossen wurde und für das er mitverantwortlich ist. Diese Aktion erinnert an die schweren historischen Folgen seiner politischen Entscheidungen und deren Auswirkungen auf unzählige Menschenleben, die von vielen heute noch geleugnet werden.
Anwesend waren neben dem Zeitzeugen Sigurd Blümcke auch Arndt Müller (Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen), Dieter Dombrowski, (Bundesvorsitzender der UOKG) und Stefan Krikowski (Vorsitzender der Lagergemeinschaft Workuta und Initiator) sowie einige Nachkommen der Opfer der Sowjetischen Militärtribunale und ehemalige politische Häftlinge und Mitstreiter.
Besonders eindringlich äußerte Stefan Krikowski seine Kritik an der Entscheidung, das Lenin-Denkmal in Schwerin weiterhin aufrechtzuerhalten. Er bezeichnete die Präsenz dieses Denkmals als „eine Ohrfeige für alle Opfer der DDR-Diktatur”. Mit der Forderung: „Lenin muss weg!” rief er zu einem Umdenken auf und forderte, das Erbe des Kommunismus kritisch zu hinterfragen. Die Anwesenden unterstützten diese Forderung, viele von Ihnen waren selbst politisch Verfolgte der SED-Diktatur.
Die Diskussion um die Figur Wladimir Iljitsch Lenins und dessen Wirken ist in der heutigen Zeit von großer Relevanz. Während Marx und Engels nach wie vor als bedeutende historische philosophische Figuren und Denker gesehen werden, bleibt die kritische Auseinandersetzung mit Lenin oft komplett aus. Dabei verhinderte Lenin nach dem Zusammenbruch des russischen Zarenreichs im Jahr 1917 die Entwicklung Russlands zu einer Demokratie und legte den Grundstein für einen totalitären Staat, der durch Gewalt und Terror geprägt wurde.
Lenin war noch vor Joseph Stalin der Urheber des Staatsterrors. Unter seinem Regime wurden politische Gegner willkürlich verfolgt und massenhaft hingerichtet. Die Schaffung der ersten Konzentrationslager in Europa geht auf seine Initiative zurück. Zudem begründete er die Ein-Parteien-Diktatur, die viele Länder, darunter auch die DDR, erlebten. Den Höhepunkt dieser repressiven Strategie stellte die Gründung der Geheimpolizei „Tscheka“ dar, die weitreichende Vollmachten zur Bekämpfung freiheitlicher und demokratischer Bestrebungen erhielt.
In Schwerin wurden zwischen 1950 und 1953 rund 100 Frauen und Männer von sowjetischen Militärtribunalen zum Tode verurteilt und anschließend in Moskau erschossen. Viele dieser Urteile wurden nach 1990 vom Obersten Gerichtshof der Sowjetunion aufgehoben, was die Unrechtmäßigkeit dieser Maßnahmen unterstreicht. Die Namen dieser 97 unschuldigen Menschen wurden am 14. Juni 2025 verlesen. Sie sind nicht vergessen!
Die Völker Osteuropa haben sich von der kommunistischen Propaganda befreit. In vielen ehemaligen sozialistischen Ländern wurden Denkmäler, die an diese herrschende Ideologie erinnern, abgebaut oder umgewidmet. Doch in Schwerin steht Lenin in aller Pracht und wird weiterhin als Teil der städtischen Identität akzeptiert. Dies geschieht vielleicht aus einer Mischung aus Tradition, Ignoranz und mangelndem politischem Willen, die Geschichte kritisch zu reflektieren.
Die Mahnkundgebung in Schwerin war ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, der auch als Vorbild für andere Kommunen dienen könnte. Demokratische Gesellschaften müssen sich ihrer Vergangenheit stellen, Missstände benennen und aufarbeiten, um aus den Fehlern der Geschichte zu lernen und eine gerechtere Zukunft zu gestalten. Dazu reichen nicht inhaltsleere Wortphrasen an Gedenktagen. Diesen Worten sollten auch Taten folgen.
Insgesamt zeigt sich, dass es einen unbedingten Handlungsbedarf gibt, um die Themen der kommunistischen Unterdrückung und politischen Verfolgung aktiv zu thematisieren. Nur so kann ein nachhaltiger Prozess der Aufarbeitung und Versöhnung stattfinden, der sowohl den lebenden Opfern als auch den zukünftigen Generationen gerecht wird.
Die anwesende Germanistik Studentin Anna Shulzhenko von der Universität Stettin (polnisch: Uniwersytet Szczeciński) äußerte: „Die Veranstaltung stellte nicht nur einen wichtigen Schritt in Richtung der Aufarbeitung der Geschichte dar, sondern auch einen Appell an die gegenwärtige Gesellschaft, sich aktiv für eine Erinnerungskultur einzusetzen, die vergangenes Unrecht anerkennt und die Stimmen der Verfolgten hörbar macht. Es bleibt zu hoffen, dass solche Initiativen dazu beitragen, das Bewusstsein für historische Verantwortung zu schärfen und letztlich für eine gerechtere Zukunft zu kämpfen.“
Andre Rohloff ist stellvertretender Landesvorsitzender der Vereinigung der Opfer des Stalinismus, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern.
Auf der Seite Schwerin Lokal gibt es den Artikel von Andre Rohloff in voller Länge. Auch in der ARD-Mediathek gibt es einen Beitrag.
Die UOKG hat das Event im Video festgehalten: