Unter reger Beteiligung von Betroffenen und Fachleuten fand am 14. Oktober 2023 im Erfurter Augustinerkloster der angekündigte Kongress über die DDR-Jugendhäuser statt. Hinter der Bezeichnung „Jugendhäuser“ hatte die DDR seit 1952 erfolgreich einen Großteil ihrer Jugendstrafanstalten versteckt. Vermutlich handelte es sich um eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit, denn zur gleichen Zeit entstanden im Westen Deutschlands die ersten Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, von denen eine ganze Reihe bis heute den Namen „Jugendhaus“ trägt.

Dokumentation auf UOKGNews (YouTube): Klick hier.

Die Grußworte des Bundesvorsitzenden der UOKG, Dieter Dombrowski, von Staatssekretärin der Thüringischen Staatskanzlei, Tina Beer, vom Thüringer Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Dr. Peter Wurschi und vom Vorsitzenden des Thüringer Archivs für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“, Andreas Ilse, machten deutlich, dass es gelungen ist, das Thema, vor allem aber die Folgen für die ehemaligen Insassen, an die Politik und Aufarbeitung heranzutragen. Neben der Förderung durch die Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur ist in diesem Zusammenhang die gelungene Kooperation mit den genannten Thüringer Einrichtungen hervorzuheben.

In Zusammenarbeit mit dem von Stefanie Falkenberg geleiteten Projekt DENKOrte führten fünf geladene Fachleute in das Thema ein. Christian Sachse zeigte die langen Traditionslinien auf des modernen Jugendstrafvollzuges auf, die bis in die späte Kaiserzeit zurückreichen. Einen achtenswerten Fortschritt brachte die Weimarer Republik, der leider vom Nationalsozialismus weitegehend zerstört und von der DDR nur rudimentär wieder aufgegriffen wurde. Ziel des Referates war es, Geschichte an den langen Traditionslinien verstehbar zu machen, Kontinuitäten und Brüche zu markieren. Im Anschluss stellte Stefanie Falkenberg, Elisabeth Kohlhaas, Manfred Buchta und PD Dr. Udo Grashoff ihre Forschungsergebnisse zu den Jugendhäusern Hohenleuben, Torgau, Dessau-Wolfen, und Halle („Frohe Zukunft“) vor. Zu Torgau ist nachzutragen, dass es in dieser Stadt zwei Einrichtungen gab: den Geschlossenen Jugendwerkhof und das Jugendhaus.

In bewährter Moderation durch Isabel Fannrich-Lautenschläger (Deutschlandfunk) kamen nun zwei Zeitzeugen und zwei Zeitzeuginnen zu Wort: Roland Hermann sprach über Halle, Fred Winterfeldt über Gräfentonna, Heidi Mellentin über Dessau und Kerstin Seifert über Hohenleuben.

Der Nachmittag sollte Schritte in die Zukunft weisen: die Juristin Ass. jur. Martina Kegel von der UOKG sprach über Chancen der Rehabilitierung und Entschädigung. Die sinnkonforme Auslegung der Rehabilitationsgesetze gibt eine solche Möglichkeit schon heute her. Gerade hier ist aber noch viel Aufklärung zu leisten. Weitere Aufklärung leisten das Torgauer Dokumentations- und Informationszentrum mit einer Ausstellung zum Torgauer Jugendhaus und das Projekt „DENKOrte“ mit einem Erinnerungsort in Hohenleuben.

Den Abschluss bildete der Dokumentarfilm „Verriegelte Zeit“ von Sibylle Schönemann aus dem Jahr 1990, der durch seine genauen Beobachtungen und intensiven Fragestellungen im Gedächtnis bleiben wird.

Die TV-Dokumentation des Kongresses findet sich in Kürze auf dem YouTube-Kanal UOKGnews. Eine Druckversion erscheint noch in diesem Jahr.

Die beteiligten Forscherinnen und Forscher – so viel darf verraten werden – haben verabredet, ihre Arbeiten weiterzuführen.

Vom 06. – 08.Oktober 2023 fand in den Franckeschen Stiftungen zu Halle der zweite Bundesfrauenkongress statt. Unter dem Motto „Verronnene Zeit – Aufklärung, Aufarbeitung, Netzwerke“ trafen sich Frauen aus der gesamten Bundesrepublik, um sich auszutauschen über ihre politische Verfolgung oder Haft in der DDR. Am ersten Kongressabend diskutierte Konstanze Helber, Vorsitzende des Forums für politisch verfolgte und inhaftierte Frauen der SBZ/SED-Diktatur, mit den Bundestagsabgeordneten Heike Brehmer (CDU), Linda Teuteberg (FDP) und der SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke. Der Kongresssamstag war prall gefüllt mit Vorträgen (Niklas Poppe über den „Roten Ochsen“ und Stefanie Falkenberg zu Hohenleuben), zwei Zeitzeuginnen-Podien (Kerstin Seifert, Irmgard Sinner, Anne Hahn, Brunhild Köhler und Birgit Neumann-Becker) und den Ergebnissen von Psychologinnen zu Traumafolgestörungen (Tolou Maslahati), Zersetzung (Anne Maltusch) und Resilienz (Heide Glaesmer). Von den 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben 21 an der Fotodokumentation „Staatssicherheitsinhaftierung“ von André Wagenzik teilgenommen, die weiterhin für Interessierte offensteht. Mit einer Andacht (Pfarrerinnen Birgit Neumann-Becker und Gabriele Zander) sowie einer Kranzniederlegung in der Gedenkstätte Roter Ochse endete die Veranstaltung am Sonntag.

Der Zweite Bundeskongress politisch verfolgter Frauen in der SBZ/DDR wird vom 6. bis 8. Oktober 2023 im Livestream übertragen

Der Kongress findet in den Räumlichkeiten der Franckeschen Stiftungen in Halle statt und wird im Livestream übertragen.

Der Livestream am 8. Oktober startet um 09:00 Uhr unter diesem Link:

https://youtube.com/live/ZpjkSqyNcNc?feature=share

Das aktuelle Programm finden Sie im Programmflyer weiter unten.