Viele Betroffene von SED-Unrecht sind mittlerweile als Opfergruppe im öffentlichen Diskurs anerkannt und erhalten im besten Fall finanzielle Zuwendungen.

Allerdings dachte – außer ein paar wenigen betroffenen Müttern und Vätern − lange niemand an die „Vergessenen Kinder“ von politisch-inhaftierten Eltern, die während der Haftzeit und auch darüber hinaus eben nicht in Kinderheimen und anderen Einrichtungen der Jugendhilfe, sondern bei Verwandten und/oder Bekannten untergebracht worden sind. Herausgerissen aus ihrem gewohnten Umfeld, oft ohne Antworten auf ihre Fragen: „Wo ist Mama? Wo ist denn Papa?“ sind diese Kinder zurückgeblieben. Wenn sie Glück hatten war ihr neues „Zuhause“ liebevoll und fürsorglich, wenn sie Pech hatten, wurden sie von den neuen „Erziehungsberechtigten“ als belastend empfunden, da auch die Taten der Verwandten und Bekannten sich zwangsläufig auf das Leben der „Aufnehmenden“ auswirkten. Mittlerweile sind diese Kinder erwachsen, haben zum Teil eigene Kinder, aber der erlebte Verlust wirkt bis heute nach, bewusst oder unbewusst.

Auf dem ersten bundesweiten Frauenkongress, der August 2021 in Stollberg/Hoheneck stattfand, wurde die Resolution des Forums für politisch verfolgte und inhaftierte Frauen in der SBZ/SED-Diktatur e. V. verabschiedet. Neben anderen wichtigen Forderungen sind diese Vergessenen Kinder als erster Punkt aufgeführt. Das Ziel des Projektes „Vergessene Kinder“ ist diese Kinder dem Vergessen zu entreißen, sie ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken und die Thematik den Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft nahe zu bringen.

Wie viele Kinder waren überhaupt davon betroffen? Wie viele Kinder leiden noch heute unter den Folgen und wenn ja, in welcher Form? Wie können wir als Sprachrohr für diese Vergessenen Kinder agieren, wenn wir noch so gut wie nichts darüber wissen. Um auf hoffentlich all diese Fragen aussagekräftige Antworten zu bekommen, haben wir einen Fragebogen entwickelt, der genau das – bei zahlreichen Zusendungen – ermöglichen wird.

Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie selbst als Betroffene oder Betroffener den Fragebogen ausfüllen oder ihn an betroffene Eltern, Verwandte und Bekannte weitereichen würden. Das Projekt wird von Sandra Czech, unserer wissenschaftliche Mitarbeiterin federführend geleitet, sodass Zuschriften und Rückfragen bitte direkt an sie zu richten sind.

Den Fragebogen gibt es in zwei Varianten:

Klassisch: ausdrucken, handschriftlich ausfüllen, per Post zusenden.

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Oder

Digital: als ausfüllbares digitales Formular. Ausfüllen, abspeichern und per E-mail an s.czech@uokg.de senden.

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„Konflikt und Zusammenhalt“ lautet das Leitthema der 15. Geschichtsmesse der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur vom 2. bis 4. März im thüringischen Suhl. Das dreitägige Forum geht der Frage nach, wie einig, gespalten oder polarisiert unser Land und Europa im vierten Jahrzehnt nach der Teilung und dem Ende der kommunistischen Herrschaft sind.

Beim Auftaktpodium am Donnerstag, 2. März um 16:15 Uhr sprechen der Ministerpräsident von Thüringen Bodo Ramelow, der Schriftsteller Thomas Brussig, die Historiker Claudia Gatzka (Universität Freiburg) und Frank Hoffmann (Universität Bochum) sowie Vũ Vân Phạm vom Verein interkulturelle Arbeit, Jugendhilfe und Schule (RAA Leipzig e.V.) über die wechselseitigen Wahrnehmungen von Ost- und Westdeutschland. Wie hat sich der gesellschaftliche Zusammenhalt entwickelt? Welche Unterschiede sind erkennbar, etwa in der Wahrnehmung des Ukraine-Kriegs?

Am Freitag, 3. März um 19:30 Uhr findet die Premiere des für ARD und RBB produzierten Dokumentarfilms „STALIN – Leben und Sterben eines Diktators“ von Martin Hübner, Daniel und Jürgen Ast statt, der von der Bundesstiftung Aufarbeitung gefördert wurde. Anschließend sprechen die Historiker Jörg Baberowski (Humboldt-Universität zu Berlin) und Ulrich Mählert (Bundestiftung Aufarbeitung) über das Ende der Stalin-Ära vor 70 Jahren. Die Filmvorführung steht auch weiterem Publikum kostenlos offen.

Darüber hinaus bietet die Geschichtsmesse 2023 viele weitere Podiumsgespräche und Vorträge, etwa zu Desinformation und Polarisierung in den Medien sowie zur Zukunft der Aufarbeitung und der Vermittlung von Geschichte. Aus dem gesamten Bundesgebiet werden rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet, insbesondere Multiplikatoren aus der Bildungsarbeit und der Aufarbeitung sowie Lehrkräfte.


Weitere Informationen zur Geschichtsmesse 2023 unter: www.geschichtsmesse.de