In Gießen entsteht ein neuer Lern- und Erinnerungsort

Die Hessische Landeszentrale für Politische Bildung errichtet für das Land Hessen und mit Unterstützung der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien auf dem Gelände des ehemaligen Bundesnotaufnahmelagers im Meisenbornweg in Gießen einen Lern- und Erinnerungsort. Dieser wird an die Flucht- und Übersiedlungserfahrungen von Flüchtlingen und freigekauften politischen Häftlingen aus der DDR erinnern. Im Mittelpunkt der Dauerausstellung stehen die Erlebnisse der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen – vor allem der geflüchteten und übergesiedelten Menschen aus der DDR. Darüber hinaus werden der schrittweise Ausbau des Lagers, die Etappen des Notaufnahmeverfahrens, die Arbeit der bundesdeutschen
und alliierten Geheimdienste, die Aktivitäten der Staatssicherheit der DDR und das Verhältnis des Notaufnahmelagers zur Stadt Gießen dokumentiert. In der Ausstellung wird zudem die Nutzung des Ortes als zentrale Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen für Spätaussiedler und Asylbewerber bis 2018 geschildert.

Aktuell werden Zeitzeugen gesucht, die von ihren Erfahrungen im und mit dem NAL berichten können. Die Zeitzeugen sollten dazu bereit sein, ihre Erzählungen via Audio und/oder Video aufzeichnen zu lassen. Ziel ist es, mithilfe der Zeitzeugenberichte die Geschichte des NAL lebendig werden zu lassen und inhaltliche Wissenslücken zu schließen. Die persönlichen Erfahrungsberichte werden in einer Zeitzeugendatenbank gesammelt und für die historisch-politische Bildung sowie für die wissenschaftliche Forschung im Lern- und Erinnerungsort zur Verfügung gestellt. Einige der Zeitzeugeninterviews werden auch Eingang in die neue Dauerausstellung finden. Der Zeitzeugenaufruf richtet sich an die Heimatvertriebenen aus den ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten in Osteuropa, Flüchtlinge und Übersiedler aus der SBZ/DDR, Spätaussiedler und Asylbewerber, die zwischen November 1945 und 2018 das Notaufnahmelager Gießen im Meisenbornweg durchlaufen haben. Der Aufruf spricht auch die ehemaligen Mitarbeiter der Verwaltung des NAL und der Bundesnotaufnahme an sowie Personen, die ehrenamtlich, in caritativen/kirchlichen und anderen Organisationen in die Flüchtlingsbetreuung eingebunden waren.
Folgende Gruppen von Zeitzeugen sind dabei von besonderem Interesse:

  • Menschen, die in den 1940er und 1950er Jahren aus der SBZ/DDR nach
    Gießen kamen und zunächst als Flüchtlinge abgelehnt wurden (Illegale).
  • Jugendliche Flüchtlinge, die in den Jugendlagern des NAL (Haus
    Elisabeth/Jugendheim Krofdorf-Gleiberg) untergebracht waren.
  • Ehemalige Studierende, Schwesternschülerinnen, Kripobeamte und andere (Gießener), die ab 1964 im NAL gewohnt oder gearbeitet haben.
  • Ehemalige Mitarbeitende, die Auskunft über den Alltag im Lager geben
    können besonders aus der Anfangszeit
  • Ehemalige Volkspolizisten, NVA-Angehörige etc., die nach Gießen geflohen sind.
  • Ausreiseantragsteller, die im Zuge der großen Flüchtlingswellen 1984 und 1989 nach Gießen kamen.
  • Oppositionelle, die aus der DDR ausgewiesen wurden oder ausgereist sind und im NAL untergebracht waren.

Zeitzeugen melden sich bitte mit Kontaktdaten und einer kurzen Beschreibung ihrer NAL-Erfahrung unter zeitzeugen@nal-giessen.de. Darüber hinaus werden für die Dauerausstellung und das Archiv des Lern- und Erinnerungsortes auch Exponate jeder Art rund um das ehemalige Notaufnahmelager gesucht: Fotos, Dokumente, Medienberichte, Gegenstände usw.

Foto: Jan Peter Kasper; ADN-ZB-Kasper-10.11.89-Bez. Gera: Reiseregelung-Tausende Bürger passierten mit ihrem PKW die Grenzübergangsstelle Hirschberg (Kreis Schleiz). Viele entschieden sich noch während der Fahrt zum tschechoslowakischen Grenzübergang Schöneberg, doch den am nächsten gelegenen Grenzübergang zur BRD zu benutzen.