DDR-Dopingopfer fordern Rücktritt von Stasi-Zuträger Beilschmidt
Aufarbeitung jahrzehntelang „massiv verhindert“/ Auch Kritik an Roland Jahn

Der Doping-Opfer-Hilfeverein (DOH) fordert den sofortigen Rücktritt des Hauptgeschäftsführers des Landessportbundes Thüringen Rolf Beilschmidt.

Zugleich wird auch LSB-Präsident Peter Gösel aufgefordert, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Beide Maßnahmen werden mit sportpolitischer Fehlpolitik begründet, die einen Neuanfang im Landessportbund in Erfurt jetzt dringend notwendig machten. Beilschmidt hatte, wie der SPIEGEL und weitere Medien vor Wochenfrist mit Dokumenten belegten, die Öffentlichkeit über seine jahrelange Zusammenarbeit mit der DDR-Staatssicherheit bis zum Mauerfall belogen. Gösel habe sich, so der DOH, in der jetzigen Situation wie auch in der Vergangenheit stets als „willfähriger Helfershelfer in den Dienst von Beilschmidt gestellt“.

In einer gemeinsamen Erklärung von Mitgliedern und Mitstreitern der Doping-Opfer-Hilfe (DOH) heißt es wörtlich: „Durch die jahrelange massive Verhinderung der Aufarbeitung im thüringischen Sport, durch die Ablehnung von Stasi-Überprüfungen des LSB-Präsidiums, die Verhöhnung der Stasi- und Dopingopfer sowie die Verharmlosung des DDR-Zwangsdopings durch die ehemaligen SED-Nomenklaturkader Beilschmidt und Gösel, ist dem deutschen Sport schwerer Schaden entstanden. Die umfangreichen Stasi-Verstrickungen des LSB-Hauptgeschäftsführers Beilschmidt, der ab 1984 Vizechef und ab 1989 Leiter des extrem dopingverseuchten Sportclubs (SC) Motor Jena war, sind neu belegt und widerlich. Damit wird die moralische Integrität der größten Personenvereinigung Thüringens umfassend diskreditiert.

Beilschmidt und Gösel haben aus ihrer Schlussstrich-Mentalität nie einen Hehl gemacht. Zu erinnern ist auch an die Ungeheuerlichkeit, dass Stasi-Zuarbeiter Beilschmidt im Oktober 1993 als damaliger Olympia-Stützpunktleiter in Erfurt der Biathlon-Olympiasiegerin Antje Misersky in Fragen der Stasi-Aufarbeitung den LSB-Chef Manfred Thieß als „Person des Vertrauens“ empfahl, der nicht einmal zwei Jahre später als überführter Stasi-Zuträger seine Führungsämter im Deutschen Sportbund und im Landessportbund abgeben musste. Die Causa Beilschmidt erhält zusätzliche Brisanz, da Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Unterlagen der DDR-Staatssicherheit, bisher kumpelhaft und relativierend die Belastungen seines Jenenser Jugendfreundes Beilschmidt wegredet. Hier erwarten wir eine klare Positionierung.“

Unterzeichnet haben die Erklärung u.a.:

Angelika Barbe / Dresden, Verband politisch Verfolgter des Kommunismus e.V.
Brigitte Berendonk / Heidelberg, Ex-Athletin und Pädagogin
Prof. Werner Franke / Heidelberg, Molekularbiologe und Krebsforscher
Henner Misersky / Stützerbach, ehemaliger Athlet und Trainer
Ilse Misersky / Stützerbach, ehemalige Athletin
Thomas Kersten /Brandenburg, Dopingopfer, ehemaliger Kanute
Andreas Krieger, Dopingopfer, Kugelstoß-Europameisterin 1986
Ute Krieger-Krause, Dopingopfer, ehemalige Schwimmerin
Manfred Kruczek / Potsdam, Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg e.V
Sepp Schönmetzler / Köln, ehemaliger Eiskunstläufer
Claus Tuchscherer / Innsbruck, Dopingopfer, ehemaliger DDR-Skisportler

Berlin, 17. Oktober 2014

Doping-Opfer-Hilfe e.V.
Schliemannstrasse 23
10437 Berlin
Tel.030 – 447 10826

HINTERGRUND: FAZ | Interview | DLF | MDR | Handelsblatt

Dachverband der SED-Opfer zur Expertenkommission zur Zukunft der Stasiunterlagenbehörde

Vor dem Hintergrund der Berufung des Bundesvorsitzenden des Dachverbands der SED-Opfer Rainer Wagner in die Expertenkommission zur Zukunft der Stasiunterlagenbehörde, hat die UOKG den Bundestagsfraktionen ein Positionspapier vorgelegt.

Die UOKG setzt sich dafür ein, den BStU als eigenständige und unabhängige Behörde zu erhalten. Der Leiter der Behörde soll weiterhin vom Bundestag ernannt werden. Im Ergebnis der Beratungen der Expertenkommission soll der BStU effizient auf ihre zukünftigen Aufgaben ausgerichtet werden.

Dabei legt die UOKG besonderen Wert darauf, dass der weltgeschichtlich einzigartige Aktenbestand soll in seinen Strukturen vollständig erhalten wird. Eine Auflösung der Behörde lehnt die UOKG kategorisch ab. Zudem soll der Aktenzugang weiterhin sichergestellt und den Interessen einer nachwachsenden Generation angepasst werden. Schließlich muss elektronische Rekonstruktion zerissener Stasi-Aktenweiterentwickelt werden.

Rainer Wagner betonte in seiner Berufung:

„Die Stasi-Unterlagenbehörde ist mehr als nur eine Behörde – sie ist ein Leuchtturm der Aufarbeitung und ein Symbol für den Sieg der Freiheit über die Diktatur. Sie ist unsere Behörde – eine Behörde für die Opfer. Eine Schließung wäre ein fatales Signal an alle Geschichtsklitterer und Ewiggestrigen. Sie hätten damit endlich ihren Schlussstrich, den sie am liebsten schon 1990 gezogen hätten.

Dieser Leuchtturm strahlt auch international. Häufig, wenn irgendwo eine Diktatur stürzt, wird auf das Know-how der Experten der BStU zurückgegriffen. Viele Menschen aus anderen Staaten, in denen der Kommunismus zusammengebrochen ist, wünschen sich sehnlich eine solche Behörde. Wir dürfen all das nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Wir müssen bei der Aufarbeitung aber die gesamte Diktatur mehr ins Auge fassen. Eine Verengung des Blickwinkels auf die Stasi wird dem Charakter des Unrechtsstaats DDR nicht gerecht. Alle staatlichen Institutionen und Massenorganisationen, selbst die oft verklärte FDJ, dienten der Durchsetzung der Machtinteressen des Staatsapparats. Und dieser war identisch mit der herrschenden Partei, der SED.“