Brandenburger Stellungnahme zum Expertenkommissionsbericht zur Zukunft der BStU

Wir begrüßen, dass – entsprechend dem Einsetzungsbeschluss – die Kommission vorschlägt, die Unterlagen der Staatssicherheit weiterhin gemäß Stasiunterlagengesetz (StUG) offen zu halten. Daß erstmalig in der Welt Bürgerinnen und Bürgern die Informationen, die eine Geheimpolizei über sie gesammelt hat, zugänglich gemacht wurden, ist ein bedeutendes Vermächtnis der Friedlichen Revolution von 1989.
Die Einrichtung einer Stasi-Unterlagen-Behörde war die rechtsstaatliche Antwort auf unsere Revolutionslosung „Meine Akte gehört mir!“. Damit konnte es gelingen, die Struktur und Funktionsweise der Diktatur weitgehend sichtbar und die Verfolgung jedes einzelnen durch die Geheimpolizei nachvollziehbar zu machen. Die Behörde des BStU gibt heute für viele Transformationsländer ein Beispiel und ihre Erfahrungen sind nach wie vor in zahlreichen Ländern gefragt.

Die Auflösung der Stasi-Unterlagen-Behörde lehnen wir ab. Sie wäre ein Signal für die Abkehr von der Aufarbeitung als Ganzem.

Die Empfehlung der Expertenkommission, die Behörde des BStU aufzulösen und die MfS-Unterlagen bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode in das Bundesarchiv zu geben, halten wir für kontraproduktiv. Es sind im Expertenvorschlag keine Begründungen angeführt, welche Vorteile in der Aktenübernahme durch das Bundesarchiv zu erwarten wären. Stattdessen spricht manches dagegen.
Mängel in der Verfahrenspraxis und der Professionalität der Aktenverwaltung lassen sich innerbehördlich beheben. Für die Spezifik in der Anwendung des StUG gegenüber dem allgemeinen Archivrecht besitzt die BStU-Behörde zweifellos die bessere Expertise. Die Spezifika im Umgang mit den Stasi-Akten, zum Beispiel die Unterscheidung zwischen Betroffenen und Begünstigten, sind bisher im Bundesarchiv unbekannt. Der hohe Prüfungsaufwand bei der Aktenherausgabe ist dem
Persönlichkeitsschutz geschuldet und wird für diesen besonderen Aktenbestand auch unter der Verwaltung des Bundesarchivs bestehen bleiben. Die Schaffung gemeinsamer Standards für die archivalische Arbeit und die Anwendung gleicher Software für den BStU und das Bundesarchiv waren längst überfällig und haben nun endlich begonnen. Der privilegierte Aktenzugang behördeneigener Forscher kann durch Gesetzesänderung oder die Ausgliederung der Forschungsabteilung aus der BStU-Behörde aufgehoben werden.

Die Auflösung der Behörde kann auch nicht durch den Vorschlag kompensiert werden, einen Bundesbeauftragten für die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur zu installieren. Stattdessen plädieren wir dafür, die bestehenden Aufarbeitungsinstitutionen und die mit der Aufarbeitung befassten zivilgesellschaftlichen Organisationen zu stärken. Dazu sind die notwendigen Mittel bereit zu stellen, damit sie in der Lage sind, professionell ihre Interessen in Politik und Öffentlichkeit zu vertreten. Aufarbeitung sollte vielfältig bleiben und dezentral verankert sein. In einer Dachorganisation, wie der UOKG, können die Interessen gebündelt und gegenüber den Gremien des Bundes vertreten werden. Uns ist wichtig, dass die Repräsentanten der Opfer der SED-Diktatur von ihnen selbst gewählt werden.

In der vorgeschlagenen Zusammenlegung der Gedenkstätten Normannen-straße/Magdalenenstraße und Hohenschönhausen unter dem Dach einer neu zu gründenden Stiftung sehen wir keinen Vorteil. Beide Gedenkstätten arbeiten sehr erfolgreich und es ist nicht plausibel, sie ihrer Eigenständigkeit zu berauben. Es bedarf keiner neuen Stiftungsgründung, da die bereits bestehenden Stiftungen und der BStU erfolgreich ihren jeweils eigenen Beitrag zur Aufarbeitung der SED-Diktatur leisten und sich einander gut ergänzen.

In den Vorschlägen zeigt sich ein personelles Defizit der Expertenkommission. Die Opferverbände waren unzureichend in der Kommission vertreten. Wir sehen lediglich im Minderheitenvotum von Hildigund Neubert unsere Interessen widergespiegelt.

Darüber hinaus votieren wir dafür, dass alle Möglichkeiten der Erhaltung des Stasiaktenbestands genutzt und die Digitalisierung und virtuelle Rekonstruktion von Archivgut fortgesetzt werden.

Außerdem sollte bis spätestens 2019 das geltende Stasi-Unterlagengesetz dahingehend geändert werden, dass die Überprüfungen, wie bisher in den §§ 19, 20 und 21 StUG geregelt, entfristet werden, damit sie weiterhin möglich sind.

In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass es dringend geboten ist, die Antragsfristen der Rehabilitierungsgesetze aufzuheben, um politisch Verfolgten weiterhin die gesetzlichen Möglichkeiten der Rehabilitierung und Unterstützung zu gewähren.

Im Übrigen sprechen wir Roland Jahn unser Vertrauen aus und plädieren für seine Wiederwahl als Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen.

Joachim Krüger, Michael Ney, Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945-1950 e. V.
Detlef Fahle, DDR-Militärgefängnis Schwedt e. V.
Graf von Schwerin, Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) e. V.
Dieter Dombrowski, Menschenrechtszentrum Cottbus e. V., Vorstandsvorsitzender der UOKG
Claus Ladner, Fördergemeinschaft „Lindenstraße 54“
Sylvia Wähling, Menschenrechtszentrum Cottbus e. V.
Hans-Peter Freimark, DDR-Geschichtsmuseum im Dokumentationszentrum Perleberg e. V.
Jürgen Sydow, Interessengemeinschaft ehem. politischer Brandenburger Häftlinge 1945-1989
Roland Herrmann, Kindergefängnis Bad Freienwalde/IG ehemaliger Heimkinder Ost
Wolfgang Holzapfel, Vereinigung 17. Juni 1953 e. V.
Jörg Moll, Vereinigung der Opfer des Kommunismus-Deutschland e. V. (VOK)
Siegmar Faust, Menschenrechtszentrum Cottbus e. V.
Heinz-Gerd Hesse, Initiativgruppe Internierungslager Jamlitz e. V.
Carla Ottmann, Verein zur Förderung der Projektwerkstatt „Lindenstraße 54“ e. V.
Wolfgang-Alexander Latotzky, Kindheit hinter Stacheldraht e. V.
Petra Ostrowski, Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS), Landesverband Brandenburg e. V.
Manfred Kruczek, Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg e.V.
Dr. Peter Boeger, Checkpoint Bravo e.V.
Carola Stabe, Gemeinschaft der Verfolgten des DDR-Systems Brandenburg
Dr. Richard Buchner, Gedenk- und Begegnungsstätte Ehemaliges KGB-Gefängnis Potsdam e.V.
Prof. Ines Geipel, Doping-Opfer-Hilfe e.V.