Dachverband der SED-Opfer: „Politischer PR-Gag im Jubiläumsjahr 2014“

Das Bundeskabinett hat heute eine Erhöhung der SED-Opferrente um 20 % beschlossen.
Der Bundesvorsitzende des Dachverbands der SED-Opfer, Rainer Wagner, hat hierzu erklärt:

„Was die Regierung hier als große Wohltat zu verkaufen versucht, ist in Wirklichkeit ein politischer PR-Gag im Jubiläumsjahr. Die Erhöhung ist allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein und geht weit an den tatsächlichen Problemen der Opfer vorbei. Keines unserer wichtigen Anliegen wurde berücksichtigt.

Weder werden die den Gesetzen innewohnenden bürokratischen Schikanen beseitigt, noch die vielen bislang nicht berücksichtigten Opfergruppen endlich anerkannt. Auch in Zukunft werden sich die Opfer ihre Ansprüche jahrelang gegen die Behörden erkämpfen müssen, werden große Teile der politisch Verfolgten leer ausgehen.

Statt kosmetischer Änderungen benötigen wir eine grundlegende Überarbeitung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze.

Der mickrige Entwurf zeigt, dass die Anliegen der Opfer der zweiten deutschen Diktatur jenseits von Festtagsreden in der Politik keinen sonderlich hohen Stellenwert genießen. Das ist sehr beschämend und wirft ein schlechtes Licht auf die Bundesregierung.

Die Tatsache, dass trotz mehrmaliger Gesprächsangebote unsererseits kein Vertreter des federführenden BMJV bislang bereit war, sich zu einem Gespräch mit uns zu treffen, fügt sich hier nahtlos ein.

Wir werden keine Statisten in dem Staatsschauspiel der Jubiläumsfeierlichkeiten sein, sondern wollen echte Anerkennung. Wir appellieren an den Deutschen Bundestag und den Bundesrat: Lassen Sie das Gesetz in dieser Form nicht durchgehen. Bessern Sie nach!“

Zu diesem Thema wird am kommenden Samstag, dem 4. 10. um 12:00 Uhr eine Demonstration auf dem Berliner Alexanderplatz unter dem Motto: „Vergessene DDR-Opfergruppen fordern ihre Aufnahme in die Rehabilitierunsgsgesetze“ stattfinden. Treffpunkt ist die Weltzeituhr am Alexanderplatz.

Zu den jüngsten Äußerungen des Bundestagsfraktionsvorsitzenden der Linken Gregor Gysi erklären
Rainer Wagner Bundesvorsitzender der UOKG und der VOS sowie Vera Lengsfeld VOS Berlin- Brandenburg e.V.:

Koalitionsverhandlungen in Thüringen abbrechen! Gysi war Teil des Unrechtssystems!

Vor dem Hintergrund der aktuellen Koalitionsverhandlungen in Thüringen zur Bildung einer Regierung unter einem Linke- Ministerpräsidenten Ramelow hatten es Bündnis90 Grüne zur Bedingung gemacht, dass Die Linke anerkennt, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. In diesem Sinne wurde ein gemeinsames Papier entwickelt, das Präambel des Koalitionsvertrags werden soll.

Dass es die Linke nicht ehrlich meint, zeigte sich bereits, als Ramelow vor seinen Genossen das Papier als „Protokollnotiz“ abtat.

Nun hat auch Rechtsanwalt Gregor Gysi klar gemacht, dass seine Partei den Begriff Unrechtsstaat für die DDR nach wie vor ablehnt. Damit entlarvt er einmal mehr die Linke als eine Partei mit gespaltener Zunge.

Gysi war als Rechtsanwalt ein Teil des Unrechtssystems. Gysi weiß genau, dass ein willkürlich Verhafteter kein Recht hatte, seine Familie zu benachrichtigen oder einen Anwalt zu kontaktieren. Kein Festgenommener wurde über seine Rechte belehrt.

Gysi weiß, wie willkürlich Wehrdienstverweigerer und Republikflüchtlinge behandelt wurden, sie waren seine Mandanten. Gysi weiß, dass Menschen, deren Ausreise aus der DDR genehmigt worden war, gezwungen wurden, ihr Eigentum zu Schleuderpreisen zu verkaufen, denn Betroffene waren seine Mandanten.

Gysi weiß, dass es politische Berufsverbote gab, denn er ist von Betroffenen konsultiert worden. Gysi weiß, dass Bürgerrechtler gegen ihren Willen aus dem Stasigefängnis Hohenschönhausen in den Westen abgeschoben wurden. Er war dabei, wenn nötig, sogar ohne Mandat tätig.

Gysi war als Anwalt zahlreicher Regimekritiker über die Zustände in Gefängnissen, Jugendwerkhöfen, Untersuchungshaftanstalten der Staatssicherheit informiert.

Gysi hat als letzter Parteivorsitzender der SED eine Gruppe für die Sicherung des Parteivermögens gegründet, er hat Informationen über das verschwundene DDR- Vermögen, nach amtlichen Schätzungen 24 Milliarden DM, die er dem Bundestagsuntersuchungs- ausschuss verweigert hat und bis heute nicht preisgibt.

Diese Aufzählung ist keineswegs vollständig. Wenn Gysi dann noch fordert, dass die politisch Verfolgten besser entschädigt werden sollten, ist das mehr als dreist.

Es war Gysi und seine Partei, die mit Klagen bis zum Verfassungsgericht dafür gesorgt haben, dass die Systemstützen der DDR materiell weit besser gestellt wurden, als die von ihnen Verfolgten. Vergleichbare Aktivitäten für die politisch Verfolgten hat es von Gysi und seiner viermal umbenannten SED nicht gegeben.

Als Vertreter der politisch Verfolgten in der DDR fordern wir, dass Bündnis90/ Grüne die Gespräche mit der Linken in Thüringen abbrechen. Die Partei hatte festgelegt, keine Koalitionen mit der Linken einzugehen, wenn die nicht anerkennt, dass die DDR ein Unrechtsstaat war.

Gysi: „Wir sind uns einig, diesen Begriff nicht zu verwenden“. Deutlicher kann eine Absage nicht sein.
Bündnis 90/ Grüne müssen jetzt zu ihrem Wort stehen!

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